Leichenfund - Killer Heat
Totschlag oder Diskussionen über Sexualstraftäter nichts für zartbesaitete Frauen seien. Es gab nur wenige Richterinnen oder Anwältinnen, und selbst unter den Geschworenen war ihre Anwesenheit relativ neu. In Ihrem Bereich war es ja nicht viel anders.«
Zum Zeitpunkt ihrer Vergewaltigung hatte Kerry Hastings gerade ihr Masterstudium der Neurobiologie an der NYU begonnen - und in diesem von Männern dominierten Fachbereich hervorragende Leistungen erbracht. Als sie nach einer dreijährigen Auszeit an die Uni zurückkehrte - sie war nach dem missglückten Gerichtsverfahren aus Angst vor Warren an die Westküste gezogen -, hatte sie als eine der ersten Frauen ihres Fachs promoviert.
Ich hielt die durchsichtige Plastikhülle mit dem blassblauen Baumwollslip hoch, der das DNA-Material enthielt, das Floyd Warren mit Dutzenden ungelöster Fälle in Verbindung brachte.
»Ich werde Sie fragen, ob Sie den hier identifizieren können.«
Kerry biss sich auf die Lippe und nickte. Man hatte ihr den Slip im Krankenhaus abgenommen. Auf dem Etikett standen mit schwarzem Filzstift ihre Initialen, und im Schritt - dort, wo man das Sperma gefunden hatte - befand sich jetzt ein Loch.
»Ich wollte das alles unbedingt vergessen, und jetzt kommen all die Erinnerungen wieder hoch.« Sie schloss die Augen und holte einige Male tief Luft. »Es ist erstaunlich, dass jemand den Weitblick besaß, über all die Jahre meine Unterwäsche aufzuheben.«
»Ich wünschte, dem wäre so«, sagte Mercer. »Danken Sie Ihrem Schutzengel, dass Alex’ Vorgänger geschlampt hat. Nachdem Warren geflüchtet war, verstaute der Staatsanwalt die Akte einfach in der hintersten Schublade. Hätte er sich an die Vorschriften gehalten und die Beweisstücke an die Asservatenkammer zurückgegeben, wären sie längst vernichtet worden.«
Das Telefon klingelte, aber bevor ich abheben konnte, sah ich an der Anzeige auf der Konsole, dass Laura Wilkie abgenommen hatte. Kurz darauf steckte sie den Kopf durch die Tür. »Mercer, ein Anruf für Sie.«
»Haben sich noch mehr Frauen gemeldet, Alex? Ich meine, hier in New York?«
»Lassen Sie uns nach Ihrer Zeugenaussage darüber reden.«
Als Floyd Warren verhaftet und von Alabama nach New York gebracht wurde, hatte man ihn der Presse vorgeführt. Mercer Wallace hatte ihn direkt vom Haftrichter nach draußen auf die Straße geleitet, wo die gierigen Paparazzi schon mit gezückten Kameras auf ihn warteten, um sein Foto zusammen mit dem ursprünglichen Fahndungsfoto zu veröffentlichen. Frauen, die sich Jahrzehnte zuvor nie getraut hätten, das Verbrechen anzuzeigen, riefen bei der Sonderkommission für Sexualverbrechen an, um sich den Schmerz von der Seele zu reden.
»Das ist alles so verdammt unfair«, sagte Kerry. »Sein Anwalt konnte die ungeheuerlichsten Lügen über mich verbreiten. So als wäre ich das Flittchen und er das unbeschriebene Blatt. Dieses Rechtssystem ist doch absurd.«
Battaglia hatte mir nach meinen Anfangsjahren im Strafgericht die Leitung der auf Sexualdelikte spezialisierten Abteilung übertragen. Die bahnbrechende Arbeit auf diesem Gebiet war bereits von meinen Vorgängern geleistet worden, die in mühsamer Kleinarbeit Gesetzesänderungen herbeigeführt und, was noch schwieriger war, die Öffentlichkeit über diese hochbrisanten Verbrechen aufgeklärt hatten.
Mercer öffnete die Tür und winkte mich ins Vorzimmer.
Beim Hinausgehen sagte ich zu Kerry: »Sie werden spätestens heute Abend alles über mein Vorgehen wissen. Das verspreche ich Ihnen.«
»Der Gefängnisdirektor von Attica ist am Apparat«, sagte Mercer. »Ich hatte ihn wegen Pablo Posano um Rückruf gebeten. Das Problem muss woanders innerhalb der Latin Princes liegen. Offenbar ist dem Monster ein neuer Kopf gewachsen.«
»Warum?«
»Die Anweisung, dir bis in den Gerichtssaal zu folgen, kann nicht von Posano gekommen sein. Er sitzt seit der zweiten Woche seiner Gefängnisstrafe in Einzelhaft. Man hat ihn aus dem Verkehr gezogen, weil er einen Wärter angegriffen hat. Dreiundzwanzig Stunden am Tag in einer künstlich erleuchteten Zelle - ohne Lektüre, ohne Verbindung zur Außenwelt. Du kannst dir vorstellen, was jetzt in ihm vorgeht, wenn er dich vorher schon gehasst hat!«
Ich dachte an den großen, stämmigen Posano mit seinen dunklen Locken, die man ihm im Gefängnis sicherlich abgeschnitten hatte, und an seinen stechenden Blick, mit dem er mich während der Verhandlung schier durchbohrt hatte. »Du denkst also, dass sich
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