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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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Lieblingsrestaurant, dem Piper’s, stand noch aus. Das gab es noch. Ich fragte mich, ob es auch immer noch so toll war.
    Ich trat ein und musste grinsen. Nichts hatte sich verändert.
    Die freundliche Kieferntäfelung war noch immer da, an den Wänden hingen Fischernetze, gigantische Hummerzangen und Drucke von Segelbooten. In der Luft lag der Geruch von gekochtem Hummer, frittierten Muscheln, Pfannkuchen und dem Erdbeer-Rhabarber-Kuchen, der die Spezialität des Hauses war. Es ging laut zu an den Tischen im Piper’s, an denen sich Touristen und Einheimische drängten.
    Eine lebhafte Erinnerung an Dad und mich an einem der Tische. Dad erzählt mir von dieser großartigen Wohnanlage, von der er träumte, Trenton-by-the-Sea. Dass wir damit unser Glück machen würden. Dass er mir ein Pferd kaufen würde und …
    »Bitte folgen Sie mir.«
    Die Empfangsdame brachte mich an einen anderen Tisch, und ich bestellte den gekochten Hummer mit allen Beilagen. Eine große Kellnerin mit toupierten Haaren flitzte von Tisch zu Tisch. Ich aß langsam, genoss jeden Bissen Hummer, den Maiskolben, das Maisbrot und den selbst gemachten Krautsalat. Ich dippte das letzte Stück Hummer in die zerlassene Butter und bat dann um die Rechnung.
    »Da kommt sie schon«, sagte DeeDee, die Kellnerin.
    »Danke. Füllen Sie doch bitte meine Diet Coke noch mal auf, ja?«
    »Sie kriegen noch Herzrasen von all dem Koffein.« Sie grinste, als sie loszog, um die Cola zu holen.
    Die Empfangsdame nickte in DeeDees Richtung und begab sich zu einer ältlichen Dame, die sich auf eine Gehhilfe stützte. Die Empfangsdame schob den Koffer der Frau unter den Tisch hinter meinem.
    »Sie sitzen gleich hier, Ma’am«, sagte DeeDee und klopfte mit der Hand auf den Sitz.
    Das pergamentgleiche Gesicht der Frau verzog sich zu einem Lächeln. »Danke, Dee.«
    Diese Stimme. In mir kribbelte es vor Aufregung.
    »Sie sind also auf dem Weg nach England, Mrs Lakeland?«, sagte DeeDee, während sie die Bestellung der Frau aufnahm.
    »In der Tat.«
    Mrs Lakeland … Ein angenehmes, warmes Gefühl in der Herzgegend. Das gleiche markante Kinn. Die gleiche Kurzhaarfrisur mit dem hohen Haaransatz. Die gleiche Stimme. Mit dem kleinen Unterschied, dass aus dem Kinn ein Doppelkinn geworden war, ihr Haar schlohweiß leuchtete und die Stimme vom Alter zitterte.
    Sie war immer streng, gerecht und liebevoll gewesen. Eine außergewöhnliche Lehrerin und eine Freundin.
    Durchdringende braune Augen sahen von ihrem Roman hoch und ertappten mich beim Starren.
    Ich tat, als würde ich ein Stäubchen auf dem Tisch wegwischen.
    DeeDee schenkte mir nach und brachte dann Mrs Lakelands Rührei. Ich sah zu, wie sie aß.
    Was, wenn sie sich nicht an mich erinnerte? Ich würde mir wie eine Idiotin vorkommen. Aber egal. »Mrs Lakeland?« Ich versuchte zu lächeln, als ich neben ihrem Tisch stand. Ich war so verdammt nervös.
    Ihre Gabel verharrte auf halbem Wege. »Ja?«
    »Darf ich mich kurz zu Ihnen setzen? Ich hatte Sie in der Schule.«
    Sie strahlte, als sie auf den Sitz ihr gegenüber deutete. »Wie nett.«
    Ich ließ mich auf das Sitzpolster gleiten. »Ich heiße Tally Whyte. Ich wohne schon lange nicht mehr hier, aber ich hatte Sie in der fünften Klasse.«
    Ihr Lächeln verschwand. »Ich fürchte, ich …«
    Ich lächelte. »Das können Sie auch nicht. Das ist ja zweiundzwanzig Jahre her. Tally ist ein Spitzname. Und Whyte ist der Name meines Ex-Mannes. Sie kannten mich als Emma. Emma Blake.«
    »Oh … Ja … ja, natürlich. Emma.«
    Ich strahlte. Es war toll, dass sie mich wiedererkannte.
    Aber leider lächelte Mrs Lakeland nicht. Genau genommen hatte sie sogar den Blick von mir gewandt und tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab.
    »Das ist ja so lange her«, sagte ich, eifrig darauf bedacht, dass ihr Lächeln zurückkehrte. »Aber durch Sie habe ich Anne Frank entdeckt. Ich habe das Buch geliebt. Carmen hat es bestimmt gehasst, nicht wahr? Und erinnern Sie sich noch daran, wie es Annie zu Tränen gerührt hat? Wie geht es ihnen? Carmen und Annie, meine ich. Was machen …?«
    Mrs Lakeland legte ihre Serviette sachte auf den Tisch und hob den Blick. Er war so kalt und hart wie schwarzes Eis. Sie sah durch mich hindurch und winkte mit der Hand. »Zahlen, bitte, Dee.«
    »Aber …«, sagte ich.
    Sie verstaute das Buch in ihrer Tasche und erhob sich.
    »Aber Mrs Lakeland, ich …«
    Sie wandte sich ab und lächelte die Empfangsdame an, die ihr in den Mantel half. Sie warf einen Blick auf

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