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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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Gedächtnislücken. Alkohol? Drogen? Eine Krankheit? Eine Psychose? Keine Zeit, ihn jetzt zu analysieren.
    Ich raste am CVJM vorbei, bog an der Gabelung nach links ab und hatte an der Kreuzung von Main und Grand Street eine rote Ampel. Um uns herum blinkten die Lichter, und vor uns lag die Grand Street mit all ihren Geschäften: Outlets, Fast-Food-Restaurants, Minimalls und Ausgehmöglichkeiten. Danach führte die Straße direkt nach Mt. Desert Island und zum Acadia-Nationalpark.
    »Wo geht’s zum Tierarzt?«
    »Nehmen Sie die Grand. Mein Tierarzt ist am Ende der Straße.«
    Wir fuhren am Outdoor-Geschäft Katahdin Mountain Sports vorbei, am Immobilienmakler Beal’s Realty, der Bank Union Trust, dem Restaurant Piper’s, einer Reihe von Einkaufszentren und schließlich einem Bekleidungs-Outlet. Wo zum Teufel war der verdammte Tierarzt?
    »Sie lag einfach da …« Seine Stimme klang hilflos.
    Die Lichter am Einkaufszentrum stachen mir ins Auge, und ich stieg auf die Bremse.
    Er schlug die Hand vor den Mund und schüttelte den Kopf wie ein Tier, das den Regen aus dem Pelz schütteln will. »Sie lag da auf diesem großen, fetten Stein. Und das Messer hat mitten in ihrem Bauch gesteckt. Hat sie am Stein festgenagelt. Ganz fest. Und dann noch die Klauenspuren und …«
    »Ich dachte, sie hätte in einem Fangeisen gesteckt«, sagte ich.
    »Sie doch nicht!«, schnauzte er. »Die Frau, Mann. Die Frau auf dem Felsen mit all dem Blut.«
    Was zum Teufel …?
    Ein Wagen hupte, und ich zuckte zusammen. Die Ampel war grün. Ich gab Gas. Vor mir, gleich nach der Abfahrt zum Jeep/Chrysler-Händler Jones, blinkte ein Neonschild mit der Aufschrift VETERINÄR. Endlich.
    »Die Frau auf dem Felsen mit all dem Blut«, sagte ich. »War sie tot? Verletzt? Was ist mit ihr passiert?«
    Er antwortete nicht.
    Ich bretterte auf den leeren Parkplatz vor der Tierarztpraxis. »Sind Sie sicher, dass ein Messer in ihr steckte?«
    »Ja! Die Frau hat meinen Hund nie gemocht. Nie.« Er hievte sich mitsamt seiner Hündin aus dem Wagen.
    »Warten Sie!« Ich rannte um den Truck. »Was ist mit der verletzten Frau? Wo lag sie?«
    Ein Schauder lief durch seinen Körper. Dann noch einer. »Welche Frau?«
    »Die Frau mit dem Messer!«
    »Eine Frau hatte ein Messer?«
    »Himmel! Sie haben doch gerade gesagt, Sie hätten eine Frau gesehen, in der ein Messer steckte. Auf einem Stein?«
    Ein Außenlicht ging an.
    Seine Augenbrauen fuhren in die Höhe. »Sind Sie verrückt? Ich muss meinen Hund zum Tierarzt schaffen, Lady. Fahr’n Sie nach Hause. Ruh’n Sie sich aus. Wie es aussieht, haben Sie es nötig.«
    Zwanzig Minuten später kniete ich neben Penny und vergrub mein Gesicht in ihrem Fell. Ich war froh, dass sie in Sicherheit war. Wenn die Hündin des Fremden ein Bein verlor, dann gab es sicher Schlimmeres. Penny kam auf drei Beinen gut zurecht. Ich ließ sie kurz für ihr Geschäft hinaus, schenkte mir einen Fingerbreit Bourbon ein und rief dann die Polizei an.
    »Polizei Winsworth«, meldete sich die Zentrale, und es klang wie »Winswuth«.
    Ich berichtete von dem Van auf der Bangor Road, zögerte, dann … »Ich habe den Mann aus dem Van mitgenommen. Er, ähm, hat mir eine ziemlich bizarre Story aufgetischt.«
    Der Mann seufzte. »Ach ja?«
    Ich erzählte die Sache mit der Frau auf dem Felsen und dem Messer und hörte selbst, wie fadenscheinig das klang. »Sind irgendwelche Verletzungen dieser Art gemeldet worden? Oder vermisste Personen oder …«
    »Bisher hatten wir eine ruhige Nacht, Ma’am. Wie hieß der Typ gleich noch mal?«
    Ich räusperte mich. »Roy Orbison. Ich weiß. Ich weiß. Der Name war nicht echt, aber ich hab nicht weiter nachgefragt.«
    Er gluckste. »Hört sich ganz so an, als hätte er Ihnen einen Bären aufgebunden, Ma’am.«
    »Ja, aber ich hab seiner Stimme angehört, dass er die Wahrheit sagt. Sind Sie sicher, dass niemand vermisst wird?«
    »Shortie LeJeune gilt seit, hm, so drei Monaten als vermisst, aber wir haben den Verdacht, er …«
    »Eine Frau. Der Fremde hat von einer Frau gesprochen.«
    Er atmete ein. »Nein. Keine einzige.«
    Ich rief mir das Genuschel des Fremden noch einmal ins Gedächtnis, genau wie seine Probleme mit der Realitätswahrnehmung. Die verletzte Frau könnte aus einem Film stammen, den er gesehen hatte, oder einem Buch, das er gelesen hatte. »Ich kann nicht sagen, ob das echt war oder nicht, aber ich dachte, ich rufe besser mal an.«
    »Als Frau sollte man keinen Mann an der Bangor Road

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