Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
Dunkelhaarigen, brach die Hölle los. Es kam ihm vor, als hätten sie sich in den letzten vier Jahren keinen Schritt weiterbewegt. Wie sonst war zu erklären, dass sie ihm vorhielt, er wolle sie für zwei Wochen aus dem Weg haben, obwohl er nichts anderes beabsichtigt hatte, als ihr den Urlaub ihres Lebens mit ihren Freundinnen zu gönnen. Diese Situation war für keinen von ihnen beiden gut. Es brachte ihn langsam aber sicher um, und wenn sein bloßer Anblick einen solchen Hass in ihr weckte, wie konnte das dann gesund für sie sein?
Manus Howard war kein Weichei, dennoch heulte erjetzt fast los. Er stammte aus einer kaputten Familie in Ketherwood, dem sozialen Brennpunkt der Stadt, und hatte es trotzdem geschafft, dem Teufelskreis von Alkohol und Sozialhilfe zu entkommen. Sein Leben lang hatte er hart gearbeitet, sich eine gut laufende Autowerkstatt aufgebaut und ein bisschen Geld beiseitegelegt. Er besaß alles, was er sich je gewünscht hatte, doch sein Bett blieb so kalt – auch mit seiner Frau darin. Wenn er sie berührte, kam er sich wie ein Freier vor, der ihren Körper für eine Stunde gemietet hatte. Was er natürlich auch nicht zu sagen wagte, weil er sich ihre Reaktion darauf lebhaft ausmalen konnte.
Er seufzte und ließ die Schultern hängen.
»Roz, ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte. Vielleicht«, seine Stimme kippte, und er hustete schnell, ehe er fortfuhr, »vielleicht solltest du in den Ferien mal darüber nachdenken, was du eigentlich willst.«
»Ja, sollte ich wohl«, sagte sie. Ihr spitzer Tonfall überspielte die Panik, die sie plötzlich packte. Aber Angriff war die beste Verteidigung. »Vielleicht ist es wirklich gut, dass ich wegfahre. Ich denke … ich denke, dass wir beide eine Pause vertragen können.«
Kaum waren die Worte heraus, bereute Roz, was sie da gesagt hatte. Sie wollte auf keinen Fall, dass Manus ihr womöglich zustimmte. Aber er tat es.
»Ja.« Er klang erschöpft. »Ist vielleicht das Beste, Roz.« Die Art, wie er ihren Namen sagte, als würde es ihn ersticken, war entsetzlich.
»Solange ich weg bin, sollten wir keinen Kontakt haben. Gar keinen«, drängte sie weiter.
Manus sah sie erschrocken an. »Willst du das wirklich?«
»Du nicht?«, fragte sie mit diesem schrillen Unterton. »Du hast doch gerade zugestimmt, dass wir eine Pause einlegen.«
Manus wollte das hier am liebsten sofort stoppen und Roz sagen, dass er gar keine Pause brauchte. Doch ausnahmsweise wurde er wütend, beinahe so wütend wie sie.
»Weißt du was, Roz, du hast recht. Kein Kontakt, darin sind wir uns beide einig, okay? Meinetwegen. Du solltest dir in der Zeit mal ernsthaft Gedanken machen, was du von deinem Leben erwartest, und ich auch, weil es so nicht geht. Du bist unglücklich, und mir ist klar, dass ich dich nicht so glücklich machen kann, wie Robert es offensichtlich geschafft hat. Also, wenn sonst nichts mehr ist, gehe ich jetzt zurück in die Werkstatt. Ich bin ungefähr in einer Stunde zurück. Ein Kunde braucht seinen Van so schnell wie möglich wieder, und ich muss noch einen Ölwechsel machen.«
Zu seinem Erstaunen konterte sie nicht mit einer giftigen Bemerkung.
Roz schaute ihm hinterher, als er ging, und heiße Tränen brannten in ihren Augen. Wie sie sich selbst hasste! Sie wollte ihm nachlaufen, sich in seine Arme werfen und ihm sagen, dass es ihr schrecklich leid tat, wie furchtbar sie zu ihm war. Dass sie doch wusste, wer Schuld hatte. Frankie! Die war schon immer zügellos gewesen, ganz im Gegensatz zu Manus. Plötzlich sehnte Roz sich danach, dass er sie in die Arme nahm, sie küsste und ihr noch einmal zeigte, wie sehr er sie liebte. Aber sie hatte sich viel zu gründlich angewöhnt, sich mit Klauen und Zähnen zu verteidigen.
Früher hatte sie sich geöffnet, hatte sich Robert bedingungslos ausgeliefert, und der war auf ihr herumgetrampelt. Einen solchen Schmerz konnte sie kein zweites Mal ertragen. So gerne sie sich Manus öffnen wollte, die Tür zu ihrem Herzen war fest verschlossen und der Schlüssel längst weg.
Als sie hörte, wie Manus’ Motor ansprang, sackte sie auf den Stuhl hinter sich. Sie hatte es geschafft, hatte nach vier langen Jahren ihren liebevollen, unendlich geduldigen Mann ans Ende seiner Kräfte gebracht. Warum empfand sie kein bisschen Genugtuung?
8. Kapitel
Ven und Roz fuhren am darauffolgenden Montag nach der Arbeit nach Meadowhall. Es war Schlussverkauf, und in allen Läden herrschte hektisches Gewimmel. Die beiden
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