Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
das einzige Mädchen, das sich auf Altgriechisch freute. »Paraklausithyron«, seufzte sie in einem Tonfall, dass es wie eine Anzüglichkeit und nicht wie ein Motiv der klassischen Literatur klang.
»Und was heißt das richtig?«, fragte Frankie, die eine Doppelstunde Spanisch vor sich hatte und um nichts in der Welt mit den anderen beiden tauschen wollte. Sie war ein Naturtalent, was Sprachen anging. Dank ihrer italienischen Familie war sie sowieso schon zweisprachig und auf dem besten Wege, dreisprachig zu werden.
»Ein Klagelied«, erklärte Olive immer noch halb träumend. »Wenn ein Liebhaber draußen steht und bittet, dass man ihn reinlässt.«
Ven kicherte. »Du würdest jedenfalls keine spitzen Griechen vor der Tür schmachten lassen, was? Die kämen bei dir gar nicht erst zum Jammern, du Romantikerin.«
»Eine Kreuzfahrt kostet tausend Pfund, habe ich gehört«, sagte Olive, um sich von ihren Gedanken an Mr. Metaxas abzulenken. Wenigstens hatte das die Angeberin Colette Hudd behauptet, als sie die Fotos von ihren Ferien auf einem Cunard-Schiff zeigte. Ihr Dad war Gebrauchtwagenhändler und schwamm in Geld. Jeden Morgen wurde Colette in einem Rolls-Royce zur Schule gebracht, und außerhalb der Schule trug sie richtige Jeans mit Schildern wie »Brutus Gold«, nicht solche billigen wie Olive. Deren Mutter kaufte alle Sachen bei Littlewoods. Olive und ihre Eltern waren noch nie weiter weg als auf einen Campingplatz in Skegness verreist. Warmes Wasser und ein Wohnwagen mit Toilette wären schon purer Luxus gewesen, von einer großen Kabine mit Bullauge ganz zu schweigen.
»Irgendwann gehen wir alle zusammen auf Kreuzfahrt und angeln Ol einen Mann mit braunen Augen und Knoblauchfahne«, sagte Roz und strich sich Grashalme von den langen Beinen. »Wenn wir alt und stinkreich sind.«
»Nicht zu alt«, entgegnete Olive. »Bucklig und faltig kriege ich bestimmt keinen Mann.«
Frankie dachte an die schöne Englischlehrerin, Miss Tanner. Genau so wollte sie später auch sein: vollbusig mit rauchiger Stimme und selbstsicher. So viele Zigaretten, wie sie heimlich rauchte, hatte sie das mit der Stimme fast geschafft. Und sie wusste, dass Miss Tanner gerade vierzig geworden war, denn Mr. Firth (Französisch) hatte Frankie gebeten, in der Pause drinnen zu bleiben und eine Geburtstagskarte für sie zu zeichnen. In Kunst war Frankie ziemlich gut. Jeder an der Schule wusste, dass es eine »entente cordiale« zwischen Englisch und Französisch gab. Und dabei war Mr. Firth noch nicht mal dreißig. Alle Achtung, Miss Tanner!
»Vierzig ist ein gutes Alter. Bis dahin sind wir alle reich und sehen klasse aus. Und wir nehmen Vens Geburtstag, weil ihrer als einziger im Sommer ist«, entschied Frankie.
»Okay, machen wir«, sagte Olive und streckte ihre Hand aus, worauf die anderen ihre obendrauf legten. Es war abgemacht: Den 24. August, Venice Smiths vierzigsten Geburtstag, würden sie zusammen auf einem Kreuzfahrtschiff verbringen, neben dem sich das von Colette Hubbs wie ein abgewracktes Schlauchboot ausnahm.
Die Schiffswolke war inzwischen mit einer größeren verschmolzen, die Pausenglocke schrillte, und Roz, Frankie und Ven schauten sich naserümpfend an. Nur Olive lief beschwingt zurück ins Schulgebäude, den Kopf voller Träume von sich als Braut auf einer sonnigen Insel mitten im weiten Ozean.
1. Kapitel
Fünfundzwanzig Jahre später
»Was ist mit dieser?«, fragte Roz und hielt Geburtstagskarte Nummer achtzehn in die Höhe.
Olive nahm die Karte und las den Aufdruck laut vor: »Wie nennt man eine Frau, die vierzig und Single ist?« Sie schlug die Karte auf und las die Antwort. »Ein glückliches Miststück.« Welch Überraschung – wieder mal ein männerfeindlicher Scherz von Roz. Olive gab ihr die Karte zurück. »Ist vielleicht ganz lustig, aber ich kugel mich nicht direkt vor Lachen.«
»Es ist doch bloß eine Karte! Da musst du nicht gleich in hysterische Lachanfälle ausbrechen. Wichtig ist doch nur, dass ihr Alter draufsteht und sie Single ist, oder?«
Und dir geht es ums Männerbashing, dachte Olive, aber sie war nicht schnippisch genug, es laut zu sagen. Stattdessen entschied sie: »Ich bin für etwas Sentimentales. Wie diese hier.« Sie hielt Roz eine Karte mit Blumenmuster und einem netten »Freundin«-Spruch hin.
»Hmm, wenn man’s schmalzig mag. Kauf mir so eine bitte nicht zu meinem Vierzigsten, sonst muss ich kotzen.«
»Oh doch! Für dich suche ich eine mit Katzenbabys aus und einem ewig
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