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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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vorher zu drosseln, hielt er sich am Türrahmen fest, schlidderte um die Ecke und kam vor den zwei Schreibtischen vor dem Fenster zum Stehen.
    Halb erschrocken, halb überrascht sahen Tomasz und Leander ihn an.
    „Hallo, Jungs“, sagte Daniel etwas außer Puste und nahm sich vor, sich über Rollstuhlsport zu erkundigen, bei dem man die Ausdauer trainierte, bestenfalls in einer Mannschaft. Muskeltraining für den Oberkörper machte er sowieso, aber das half ihm nicht weiter, wenn er lange Strecken schnell fahren musste.
    Während Tom schnalzte, erhob sich der Hospitant, offenbar, um sie alleine zu lassen.
    „Setzen!“ Daniel zeigte auf seinen alten Bürostuhl, der nun dem Volontär gehörte.
    Tatsächlich folgte Leander der Anweisung. „Könnten Sie bitte einen anderen Ton anschlagen?“
    Daniels Augen weiteten sich. „Ist Leo auch so freundlich, wenn er eine Verhaftung durchführt?“, fragte er Tomasz spöttisch.
    „Benimm dich, Zucker!“ Statt dazwischenzugehen, lehnte sich Tom zurück, verschränkte die Arme vor dem Bauch und beobachtete mit gespannter Miene den verbalen Schlagabtausch.
    „Ich bin hier, um herauszufinden, ob mir die Abteilung liegt. Momentan machen Sie mir das KK 11 nicht gerade schmackhaft.“ Während Leander sprach, hüpfte sein hervorstehender Adamsapfel aufgeregt auf und ab.
    „Gut für dich, dass ich sowieso nie wieder hier arbeiten werde. Du kannst meinen Schreibtisch behalten, mit meinen Kollegen zusammenarbeiten und meinen Job erledigen. Was willst du noch?“ Daniel klopfte auf die Armlehnen seines Rollis. „Meinen Bock?“
    „Ein freundliches Wort zur Abwechslung wäre nett.“ Leander legte seine Handflächen aneinander, als wollte er flehen. Oder als würde er um seine Geduld ringen. „Hören Sie, ich kann nichts dafür, dass Sie ...“
    Nonchalant unterbrach Daniel ihn. „Will ich nicht hören.“
    „Es tut mir leid, trotzdem ...“
    „Mitgefühl kotzt mich an.“
    Plötzlich sprang Leander auf. Seine blonden Locken wippten. Auch an diesem Tag hatte er eine Seite seines blau-weiß gestreiften Hemdes in die Jeans gesteckt, die andere hing über dem Bund. „Warum zerfließt du dann in Selbstmitleid? Einen Schutzwall aus Grantigkeit um dich herum zu erbauen macht deine Situation auch nicht besser. Ich gehe jetzt, ob es dir passt oder nicht!“ Mit hochrotem Kopf rannte er aus dem Büro und schlug die Tür hinter sich zu.
    Beeindruckt schaute Daniel im hinterher, als könnte er ihn durch die Wand den Korridor entlanggehen sehen. Vielleicht steckten in dem blutjungen Kriminalkommissar doch mehr als ein Muttersöhnchen und ein Warmduscher. „He, der hat mich geduzt.“
    „Du ihn ja auch.“ Als sich Tomasz grinsend vorneigte, um seine Unterarme auf den Schreibtisch zu legen, quietschte sein Stuhl. „Geht es dir jetzt besser?“
    Daniel schwieg. Tom kannte ihn zu gut. Er wusste, dass er den Streit nur gesucht hatte, um Dampf abzulassen. Nun bekam er ein schlechtes Gewissen. Vielleicht war Leander gar nicht so übel. Nicht unbedingt die Sorte Mann, mit der Daniel nach Feierabend gerne ein Kölsch trank und der in einer Abteilung wie dem KK 11 überleben konnte, aber ganz in Ordnung. Er konnte ja nichts dafür, dass Daniel im Rollstuhl saß, ohne Job oder berufliche Perspektive war und eventuell sogar bald ohne Ehefrau. „Alles nicht so rosig im Moment.“
    „Dunkle Wolken im Paradies?“
    Daniel murrte nur. Er verspürte keine Lust, über seine Eheprobleme zu sprechen. Diskussionen änderten nichts. Irene und Rainer Bast konnten ihn nicht leiden, das wusste er ja. Aber dass sie gegen ihn intrigierten, war ihm neu. In der Hummergabel hatten sie sich zwar entschuldigt, doch darauf gab er einen Dreck. Als er später zu Hause mit Marie alleine war, hatte sie über den Vorfall reden wollen. Er hatte die Aussprache jedoch abgeblockt. Nicht so barsch, wie er sich Leander gegenüber verhalten hatte, sondern vielmehr kraftlos und resigniert.
    Marie hatte sich mit Tränen in den Augen vor seinen Rollstuhl gekniet, zu ihm hochgeschaut und ihre Hände auf seine Knie gelegt. „Soll ich ihnen sagen, dass ich sie nie wiedersehen will?“
    Ihre Worte hatten ihn innerlich zerrissen, aber er war nicht einmal in der Lage gewesen, sie in diesem Moment in den Arm zu nehmen, weil er selbst zu verzweifelt war.
    Mit einigen Aspekten hatten ihre Eltern nämlich recht. Er konnte ihre Tochter nicht mehr beschützen, ihr finanziell nichts bieten und ihr keine Orgasmen schenken, indem er sie lange

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