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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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möglich, dass Schardts Tochter Sarah, die inzwischen vierzehn Jahre alt war, Kontakt zu ihm aufgenommen hatte, aber Daniel hielt das für eher unwahrscheinlich, und die Kinder von Lenz waren noch zu jung, um Geocaching zu spielen.
    Die Männer waren jedenfalls nicht gestorben, weil sich ihr Nachwuchs mit dem Patron eingelassen und gegen ihn verloren hatte, worauf er die Väter umbrachte. Eine Sackgasse.
    Auch stand nirgendwo vermerkt, dass der Streetworker Schnapper betreut hatte. Das schloss zwar nicht aus, dass sich die beiden Toten schon einmal begegnet waren. Näher jedoch hatten sie sich jedenfalls nicht gekannt, weder aus der JVA Köln, denn sie hatten ihre Haftstrafen zu unterschiedlichen Zeiten verbüßt, noch später von der Straße.
    Nur eins stand fest: Sie waren demselben Täter zum Opfer gefallen.
    Daniel lehnte sich in seinem Rollstuhl zurück und starrte auf den leeren Bildschirm. Warum hatte der Mörder die Männer auf diese spezielle Art zugerichtet?
    Er war aggressiv vorgegangen und hatte ihnen erst die Seele aus dem Leib geprügelt. Als Vorspiel, weil ihn Gewalt erregte? Oder als nüchterne Vorbereitung, damit sie sich nicht mehr wehrten, wenn er mit einer Handsäge ihre Gliedmaßen abtrennte und ihr Gesicht grauenvoll herrichtete?
    Nein, mit nüchtern hatte das nichts zu tun, denn ein Schuss oder eine durchtrennte Kehle zum Beispiel hätte ihn schneller ans Ziel gebracht. Daniel strich diesen Punkt aus seiner Überlegung.
    Selbstverständlich wollte der Psychopath die Männer umbringen, aber ihm war es wichtig, dass sie noch lebten, dass sie alles mitbekamen und Qualen erlitten. So hatte er es sich wahrscheinlich in seiner Fantasie zigmal ausgemalt. Deshalb die Prügel und das Herauszögern ihres Todes.
    Er musste sie gehasst haben, keine Frage.
    Aber es konnte ihm nicht um Pädophilie gehen oder mit Mikes Arbeit als Streetworker zu tun gehabt haben, sondern die Männer mussten einen gemeinsamen Nenner haben, den Daniel noch nicht entdeckt hatte.
    Bis auf die Party in Porz vor dreizehn Monaten.
    Viele Gäste hatten die Volksküche in dieser Nacht besucht. Warum erwischte es also Schnapper und Schardt? Und wieso erst viele Monate später?
    Es muss einen Auslöser gegeben haben, dachte Daniel. Etwas muss geschehen sein, das den Täter dazu veranlasst hatte, auszurasten. Nur was?
    Er lehnte sich vor, stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab und vergrub den Kopf in seinen Händen. Mit geschlossenen Augen rief er sich ins Gedächtnis, wie die Leichen präpariert worden waren.
    Der Täter hatte Mike Schardt die Hände abgetrennt und die Augen zugenäht.
    Hatte der Streetworker zu viel gesehen oder etwas Illegales gemacht? Immerhin hatte er einiges auf dem Kerbholz. Vielleicht hatte die Haftstrafe ihn nicht so geläutert, wie er behauptet hatte, oder er war rückfällig geworden.
    Oder war das Gegenteil der Fall und er hatte die Augen vor etwas verschlossen? Etwas Schlimmem, zum Beispiel einem Verbrechen oder einem Notfall. Waren seine Hände entfernt worden, weil er jemandem nicht geholfen hatte?
    Er hatte weggeschaut, anstatt einzugreifen, das klang für Daniel nach einer plausiblen Erklärung, denn es schien, als wollte der Täter sagen: „Ich nehm dir deine Hände, du benutzt sie eh nicht.“ Vage erinnerte er sich an etwas, das Marie ihm erzählt hatte. Die Zeugenaussage einer Betrunkenen. Aber sie hatte die Frau nur am Rande erwähnt, weil der Leichenfund des Obdachlosen an diesem Tag wichtiger gewesen war.
    Schnapper, ihm hatte der Mörder die Füße abgetrennt, den Mund zugenäht und die Lider mit Haken an der Kopfhaut befestigt, sodass die Augen weit aufgerissen waren.
    Hatte er verhindern wollen, dass der Obdachlose vor ihm oder einer Verantwortung davonlief? Hatte er das Geheimnis des Täters ausgeplaudert? Hatte Schnapper, im Gegensatz zu Schardt, vielleicht sehr genau hingesehen, war aber weggerannt?
    Oder hatte er einen Vorfall beobachtet und hätte laufen und Hilfe holen sollen, doch stattdessen war er geblieben und hatte gegafft, wie er jahrelang vor Schulhöfen herumgelungert und mit steifem Schwanz Kinder beobachtet hatte?
    Julias letztes Handyfoto kam Daniel in den Sinn. Schnapper hinter der Hecke in bester Spannermanier. Selbst gesehen hatte er es bisher nicht. Aber da Marie aufgrund ihrer Arbeit als Gerichtszeichnerin ein Auge fürs Detail besaß, hatte sie ihm alles auf dem Schnappschuss haargenau beschrieben, sodass er den Eindruck hatte, selbst einen Blick darauf geworfen

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