Leidenschaft in Rot
bißchen durcheinander, mein Lieber.«
»Ihre Miss Holtzer hat mich genauso durcheinander gebracht.«
»Dana ist ein Juwel. Wenn sie sich über jemanden eine Meinung gebildet hat, zeigt sie es auch.«
Ich zuckte die Achseln. »In dem Film waren Sie einfach toll. In dem war ich hingerissen von Ihnen. Aus der Nähe sehen Sie ganz in Ordnung aus.«
Wieder verharrte sie reglos. Es war ein komisches Gefühl, ihr so nahe zu sein. Ich wurde mir der Millionen Männer in aller Welt bewußt, die schon ihr Bild angestarrt hatten, sie begehrt, sich nach ihr verzehrt, sie im Geist ausgezogen und diese seidenweichen schmalen Lenden geschändet hatten. Ich fragte mich, wie viele heimliche, einsame Orgasmen mit ihr als Phantasievorlage schon produziert worden waren. Die unermeßliche Bandbreite und Intensität all dieses ungeheuren und anonymen Verlangens verlieh ihr eine seltsame körperliche Präsenz. Gewiß, sie war jahrelang ausgehungert, gehätschelt, gedehnt, massiert, enthaart, eingeölt, parfümiert und abgerichtet worden, bis zum äußersten Gipfel körperlicher Schönheit. Ohne ein Ego aus Chromstahl und einen eisernen Willen hätte sie das nie so lange durchgestanden. Aber man nahm ihr auch ab, daß sie, als Sexsymbol, auch beim Sex in äußerste, ansonsten unbekannte Regionen vorstieß - unvorstellbare Ekstasen, größere Leidenschaften, tiefere Spasmen, süßere Qualen auslösen konnte, von denen sterbliche Frauen kaum etwas erahnten. Und das war natürlich der Unsinn, vor dem ein Mann sich hüten muß. Ihr körperliches Selbstvertrauen, das an Arroganz grenzte, verführte den Arglosen dazu, den Schwachsinn für bare Münze zu nehmen.
»Entschuldigen Sie mich bitte«, sagte sie höflich und eilte durch den Raum zur Garderobe. In mädchenhaft anmutiger Eile, ewige achtzehn. Sie kam mit einem großen braunen Umschlag zurück, den sie neben dem Zigarettenkästchen auf den Tisch legte.
»Die große braune Truhe da ist eine Bar. Wenn Sie sich etwas mixen möchten, ich würde einen Schluck Sherry nehmen. Nur ein halbes Glas, bitte.«
Sie hob die Stimme, als ich zur Bar ging. »Es fällt mir so schwer, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, Trav. Und Sie machen es mir auch nicht gerade leichter.«
»Sagen Sie mir einfach, was das Problem ist. Walt haben Sie es doch auch erzählt, oder?«
»Nur zum Teil. Aber ich nehme an, Sie wollen ... alles wissen.«
»Wenn ich Ihnen helfen soll.«
Ich brachte die Drinks. »Berühmtheit!« sagte sie. »Wenn all diejenigen, die gerne ein Star wären, nur wüßten, was das bedeutet. Ständig sind sie hinter einem her. Denken sich widerliches Zeug aus, damit sie an einen herankommen und eine Freifahrt kriegen. Man kann sich nicht einen einzigen unbedachten Schritt erlauben.«
Das war die neue Pose. Sie nippte an ihrem Glas. Ich setzte mich. Die leidende Berühmtheit. Öffentliche Verantwortung.
Sie schenkte mir ein trauriges Lächeln. »Es ist die Sache nicht wert, wissen Sie. Aber erst wenn man so weit gekommen ist wie ich, erkennt man, daß es die Sache nicht wert ist. Und dann ist es zu spät. Man kommt nicht mehr raus. Hinter der Garbo sind sie immer noch her. Wie lange hat sie keinen Film mehr gedreht? Tausend Jahre, mindestens. Ach, natürlich gibt es auch ein paar befriedigende Aspekte. Aber die Dinge, die mir wirklich am Herzen liegen ... Zufriedenheit, Freundschaften, Seelenruhe, Familie ... nichts davon hat das andere überlebt. Es bedeutet schreckliche Einsamkeit, Trav. Als ob man mutterseelenallein auf der Spitze eines Berges steht.«
»Sie werden dafür bezahlt.«
»Und zwar sehr gut, gewiß. Ich werde gut beraten. Ich habe eine ganze Menge Geld. Natürlich ist es an vielen Stellen investiert, aber wenn ich alles auflöse, ist es eine ziemlich große Summe. Deshalb wollte ich mich ja zuerst ... freikaufen.«
»Erpressung?«
Sie setzte ihr Glas ab und stand abrupt auf. Nervös lief sie im Zimmer herum. »Können Sie verstehen, wie wertvoll ... wie lebenswichtig es für mich ist, ein wenig Zeit zu haben, in der ich ich selbst sein kann? Wie jetzt mit Ihnen hier. Wir können uns unterhalten wie zwei normale Menschen. Ich brauche Ihnen nichts vorzuspielen. Manchmal muß ich vergessen, daß ich Lysa Dean bin. Dann will ich einfach nur Lee Schontz aus Dayton, Ohio, die Tochter des Feuerwehrmanns, sein. Madison Street sechzehn zehn.« Sie wirbelte herum und stoppte so knapp vor meinem Knie, daß ich die Wärme ihrer Beine spürte. »Sie können dieses grundlegende
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