Leipziger Affären - Kriminalroman
mehr, als er zugegeben hatte. Das würde sich zeigen, wenn Henne ihm erneut auf den Zahn fühlte.
»Sie schon wieder?« Zogstädt begrüßte ihn mürrisch. Er rieb sich seine tief liegenden Augen, als wäre er gerade erst aus dem Bett gekommen. Die Papiere auf seinem überfüllten Schreibtisch deuteten allerdings darauf hin, dass er schon seit einigen Stunden am Arbeiten war.
Wer weiß, was dem über die Leber gelaufen ist, dachte Henne. »Raten Sie mal, bei wem ich gerade war.«
»Wenn ich eine Glaskugel hätte, wäre ich Wahrsager geworden.«
»Offensichtlich sind Sie ja recht gut im Vorausschauen. Woher wussten Sie denn, bei welchen Auftraggebern Königs Tod eine Lücke hinterlassen hat?« Henne setzte sich auf einen Stuhl, der vor Zogstädts Schreibtisch stand.
»Daher also weht der Wind.« Zogstädt zog eine Schublade seines Schreibtisches auf und warf ein kleines Heft auf den Tisch. »Ich habe mich schon gefragt, wie lange es dauert, bis Sie dahinterkommen.«
Henne rührte das Heft nicht an. »Erzählen Sie schon.«
»Da gibt es nichts groß zu erzählen. Königs Handlanger, der Heiligenbrand, hat mich auf dem Laufenden gehalten.«
»Ohne Königs Wissen.«
»Anzunehmen.«
»Das ist hiermit beschlagnahmt.« Henne steckte das Heft ein.
»Das ist mein Eigentum, ich will es zurück.«
»Sicher, ich schicke es Ihnen mit einer roten Schleife.«
Zogstädt sprang auf, doch Henne bedachte ihn mit einem warnenden Blick. Es schien zu helfen, denn Zogstädt setzte sich wieder hin. »Ich hab den Heiligenbrand nicht darum gebeten«, sagte er. »Der hat sich förmlich aufgedrängt. Hätte ich da Nein sagen sollen? So eine Gelegenheit kommt nur einmal im Leben.«
»Die Gegenleistung?«
»Bitte?«
Henne rutschte auf dem Stuhl herum. Das Ding musste für Zwerge gemacht worden sein. Er fand kaum Platz auf der Sitzfläche, und anlehnen konnte er sich auch nicht. »Was haben Sie ihm für seine Spionage gegeben?«
»Nichts. Das können Sie mir ruhig glauben.«
Henne glaubte ihm kein Wort. »Falls Ihnen doch noch etwas dazu einfällt, melden Sie sich bitte bei mir. Meine Telefonnummer haben Sie ja.« Er stand auf.
Zogstädt sah nicht so aus, als würde er einen Anruf in Erwägung ziehen. Er rieb sich schon wieder die Augen und gähnte, als Henne grußlos ging.
Es hatte aufgehört zu regnen, die Pfützen auf der Straße vor der Polizeidirektion waren jedoch noch nicht verschwunden. Henne drückte sich an der Hauswand entlang. Das fehlte ihm noch, dass ein gaspedalliebender Autofahrer seine Hose ruinierte.
Im Büro hängte Henne die Jacke über die Stuhllehne und nahm den Kaffeepott, den Leonhardt vor ihn hinstellte, dankbar entgegen. Dann berichtete er, was er in Erfahrung gebracht hatte. Während Leonhardt interessiert zuhörte, blieb Frank auffallend still.
»Was ist?«, fragte Henne.
»Der Zogstädt ist eine falsche Spur.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich kenne ihn.«
»Da bin ich aber mal gespannt.« Auf Hennes Tisch lag Königs Ermittlungsakte mit dem Laborbericht. Er schob beides beiseite und hielt Leonhardt seine geleerte Tasse hin.
»Lutz und ich sind im selben Fußballverein. Er ist eine ehrliche Haut. Dafür verbürge ich mich«, sagte Frank.
»Ziemlich leichtfertig.«
»Ach was, ich bin mir sicher. Klar kämpft er um Aufträge, er muss schließlich leben. Seine Arbeiter übrigens auch.«
»Ist das alles, was du zu seiner Entlastung sagen kannst?« Henne nahm die Tasse entgegen, die Leonhardt gefüllt hatte.
»Vielleicht hat er ein wenig vorschnell gehandelt. Vielleicht hätte er warten sollen, bis sich die Aufregung um Königs Tod gelegt hat.«
»Vielleicht hätte er Heiligenbrands Spionageergebnisse ablehnen sollen«, sagte Henne.
Leonhardt griff nach der Ermittlungsakte und schlug sie auf. »Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Ihr spekuliert eine Menge Mist. Ich habe Zogstädt überprüft. Er hat Leipziger Aufträge gar nicht nötig. Seine Bücher sind auf Monate im Voraus voll. Kein Hinweis auf Engpässe oder Zahlungsschwierigkeiten.«
Henne war immer noch nicht von der Unschuld Zogstädts überzeugt. Der Mann hatte ein Motiv, er konnte sich inkognito auf Baustellen herumtreiben, und sein Alibi für die Tatnacht hatten sie noch nicht überprüft. »Trotzdem will er unbedingt in der Stadt arbeiten.«
»Aber doch nur seinen Leuten zuliebe. Viele wohnen hier, sie wollen bei ihren Familien sein«, sagte Frank.
»Was für ein liebenswerter Arbeitgeber.«
»Er selbst hat auch etwas
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