Leipziger Affären - Kriminalroman
Toilette. Miriam war vergessen.
Später stand er am Wohnzimmerfenster und schaute hinaus. Schräg gegenüber steckte der Bote Zeitungen in die Briefkästen. Zeit für seine Morgenlektüre.
Im Treppenhaus lief er Frau Strehle in die Arme. Die rüstige Dame, Eigentümerin des Hauses und seine Vermieterin, beklagte sich ausgiebig über den Lärm, den sie nachts aus seiner Wohnung gehört haben wollte.
Obschon er sich keiner Schuld bewusst war, versprach er Besserung. Auf keinen Fall wollte er es sich mit ihr verderben. Er schätzte die Wohnung, die hinsichtlich Ausstattung, Lage und Preis unschlagbar war.
Im Briefkasten wartete außer der Tageszeitung eine Überraschung auf ihn. Ein ganz normaler Briefumschlag wie unzählige andere, allerdings ohne Anschrift und Absender. Unschlüssig wendete er ihn hin und her. Ein schwach wahrnehmbarer Duft löste eine Welle des Unbehagens in ihm aus. Er erwog, den Brief umgehend in den Papiercontainer zu befördern, dann nahm er ihn doch mit hinauf in die Wohnung.
Im Wohnzimmer setzte Henne sich in seinen Lieblingssessel, riss den Umschlag auf und zog ein eng beschriebenes Blatt heraus. Er entzifferte die Unterschrift, der Brief war von Miriam.
Je länger er las, umso klarer wurde ihm, Miriam wollte einfach nicht verstehen, dass es aus zwischen ihnen war. Sie stellte sich regelmäßige Treffen vor, wollte für ihn kochen und ihn lieben. Noch bestürzter allerdings wurde er, als er las, dass sie vorhatte, noch am selben Abend gegen sechs zu ihm zu kommen.
Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Zumal Erika jederzeit dazwischenplatzen konnte und Miriam und ihm eine Szene machen würde.
Er schaute auf die Uhr. Bis um sechs blieben ihm gute sieben Stunden. Ihm musste etwas einfallen, wie er die Katastrophe abwenden könnte. Aber was? Sollte er so tun, als wäre er nicht da? Sollte er?
Er stand auf und ging ins Badezimmer, um sich die Hände zu waschen.
Er überlegte, ob er Leonhardt anrufen sollte. Vielleicht wusste der ja einen Rat. Doch Leonhardt hatte schon genug mit Pallauer zu tun. Blieb noch Kienmann. Aber Henne rief auch Kienmann nicht an. Er redete sich ein, dass es Quatsch ist, trotzdem fürchtete er die Vorwürfe des Freundes. Wenn er zumindest wüsste, wie er Erika zurückgewinnen konnte.
Henne ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Er zappte durch die Programme. Eine Talkshow, die Wiederholung des Abendfilmes. Bei der Coaching-Soap eines bekannten Hundetrainers blieb er hängen. Der Profi erklärte einem Hundehalter, wie er seinem Vierbeiner Gehorsam beibringen sollte.
»Sieh dich vor«, sagte Henne zu Dschingis, der neben ihm auf der Couch lag. »Ich lerne dazu.«
Der Hund im Fernsehen schaute sein Herrchen an, als wolle er sagen, dass er auch morgen noch lernen könnte, wie man Platz oder Sitz macht.
»Genau wie du.« Henne kraulte Dschingis den Kopf.
Er zappte weiter. Eine amerikanische Krimiserie. Natürlich stellten die Ermittler den Täter ohne Probleme. Die reine Verarschung, als ob es so einfach wäre! Er stellte den Fernseher aus.
Er sollte einen Mittagsschlaf machen. Henne schaute zur Uhr. Die Zeiger waren nur wenig weitergerückt, es war kurz nach eins. Trotzdem hatte er auf einmal das Gefühl, als liefe ihm die Zeit davon. Achtzehn Uhr hatte in Miriams Brief gestanden. Ihm blieb nur noch eine Galgenfrist.
EINUNDZWANZIG
Miriam beobachtete die Frau mit dem blonden Pferdeschwanz, die an der Kasse des Supermarktes stand und ihren Einkauf bezahlte. Sie hatte sofort gewusst, dass es sich nur um Heinrichs Frau handeln konnte. Gleich in dem Moment, als die Frau schon den Finger auf dem Klingelknopf neben Hennes Briefkasten gehabt hatte, dann aber gezögert, sich schließlich umgedreht hatte und die Straße hinab zum Supermarkt gelaufen war.
Ohne nachzudenken, war sie ihr gefolgt. Nun wusste sie nicht mehr, was sie tun sollte. Panik stieg in ihr auf. Die Frau verstaute ihre Einkäufe in einer Tüte und strebte dem Ausgang zu. Ohne zu überlegen, rannte Miriam ihr nach. »Frau Heine?«
Die Frau drehte sich um. »Kennen wir uns?«
»Miriam Jakob«, stieß sie hervor.
Die dunklen Pupillen der Frau weiteten sich erschrocken. »Sie!«
»Wir sollten miteinander reden.«
»Ich wüsste nicht, worüber.«
Miriam verwünschte die verfahrene Situation, als sich Frau Heine abwandte und im Begriff war, sie stehen zu lassen. »Warten Sie!« Sie rannte ihr nach. »Es interessiert Sie also nicht, was mich mit Heinrich verbindet?« Doch die blöde Kuh
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