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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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1
Gummistiefel und Schokolade
    E in zartes Schaukeln seines Gerippes, ein Knacken seiner hölzernen Knöchel, dann einmal gegen die Pier gerumst, damit jetzt keiner mehr eindöst … so vertreibt sich das Schiff die Zeit.
    Es wartet darauf, dass es ablegen kann.
    Und Recht hat es mit seiner Ungeduld. Worauf warten wir denn?
    Â»Es geht los«, hat Bakewell gesagt. Aber es passiert nichts. Seit Stunden dasselbe, Schaukeln im Dunkel. Völlig gleich, ob ich die Augen auf oder zu habe. Es ist duster wie nachts in einem schwarzen Zelt.
    Mensch, schmeckt das Wasser herrlich.
    Â»Hier, musst was trinken«, hat er gesagt und mir die Pulle in den Schrank gereicht. Im Türspalt sein verrußtes Gesicht.
    Â»Und, Kleiner, alles klar? Tu mir bloß einen Gefallen: Wenn du Hunger hast, iss nicht meine Gummistiefel. Iss die von McLeod.«
    Â»Ho ho, Bakewell, sehr lustig, ho ho.« Schon nuckelte ich an der Flasche.
    Â»Na komm, es geht ja los jetzt. Wir beide, was!«
    Der Sage nach hat einmal König Artus in meinem Heimatdorf übernachtet – keine Ahnung, ob in einem Schrank, einem Zelt oder im Gasthof »Zur schütteren Linde« an der Landstraße nach Mynyddislwyn. So oder so ist das lange her. Und Pillgwenlly, Wales, ist weit weit weg. Heute ist einer der letzten Tage im Oktober 1914, und ich verlasse Buenos Aires. Ich fahre auf der britischen Barkantine ENDURANCE . Bin ein blinder Passagier.
    Drei ihrer Matrosen haben mich auf die ENDURANCE geschmuggelt und in einem Spind für Ölzeug versteckt. Die Missetäter sind Bakewell, mit dem ich auf der USS JOHN LONDON herüberkam, How, den sie Hownow nennen, sowie McLeod, der schon auf der TERRA NOVA von Kapitän Scott Richtung Südpol gefahren ist. Nach dem Städtchen, in dem er geboren wurde, wird McLeod Stornoway gerufen. Und Stornoway dürfte kaum bekannter sein als Pillgwenlly, doch hält McLeod viel auf seine Herkunft, und wenn es nach ihm ginge, würde wohl die ganze Welt wissen, wo Stornoway liegt: »Auf den Hebrrriden!«
    McLeod, How und Bakewell gehören zu den 27 Männern der Imperial Trans-Antarctic Expedition von Sir Ernest Shackleton. Wenn sie es denn schafft, loszukommen, wird die ENDURANCE Kurs auf die Antarktis nehmen, die erstmals zu Fuß durchquert werden soll.
    Wie es aussieht, habe ich vor, ihr 28. Mann zu werden. Und meine Chancen stehen nicht schlecht: Hat die ENDURANCE erst das Feuerschiff bei Recalada passiert, geht sie auf offene See. Über Bord wird der Sir mich nicht werfen lassen, und ob ich als der siebzigste Schlittenhund ende, wie Stornoway in seinem Suff gestern Nacht vorhergesagt hat, wird sich zeigen.
    Ein Bullauge müsste der Schrank haben, und unter dem Fenster am besten gleich auch ein Bett. Ich bräuchte nur den Kopf zu heben, und schon läge ich in der silbernen Sonne überm Rio de la Plata. Blitzsauber funkelt die neue Schwebefähre. Es gibt ein besonders langes Hörner- und Trötenkonzert, weil es nicht alle Tage passiert, dass ein britischer Nationalheld unter der Transporterbrücke hindurchfährt. Hunderte von Porteños, Leute aus den Vierteln am Hafen, dürften auf der Pier stehen und Shackletons Walnuss zum Abschied viel Glück wünschen.
    Â»Heilige Seeschlange, riecht es hier drin nach Gummi!«, hat Bakewell gesagt. Ausgerechnet den Ölzeugspind mussten die drei Teerjacken für mich ausgucken, und sie selbst lassen sich oben zwischen den kläffenden Hunden die Sonne aufs Gesicht brennen. Leb wohl, Argentinien!
    Auf den Dächern der dottergelben Kontorhäuser von La Boca heulen die Sirenen. Tröten von allen Seiten. Nicht mehr lang, und der Schlepper wird die ENDURANCE freigeben. Gut geraten! Schon johlen sie, jetzt ist sie los! Und ich piepse mit. Heiho! Es geht ins Eis, ins weiße, weiße Eis!
    Wir schauen uns den Beardmore-Gletscher an, und wir bestaunen Mount Erebus und Mount Terror, die beiden Eiffeltürme der Antarktis … Mit ein bisschen Glück entdecken wir den Blackboro-Pinguin oder sind die Ersten, die an der unbekannten Schelfeiskante stehen … Pillgwenlly-Land.
    Ho ho, ho ho. Wenn schon, denn schon.
    So sieht es aus! Was könnte ich nicht alles erzählen, wäre ich nicht so mutterseelenallein. Ich bin ein junger Mann aus einem Nest bei Newport. Bin ein Kind meiner Mutter. Nicht auszudenken! Doch, doch, ein Kind seiner Mutter zu sein ist in Zeiten des großen Krieges etwas

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