Leipziger Affären - Kriminalroman
Henne versuchte, treuherzig zu gucken. Ein Flirtversuch würde sie vielleicht überreden.
»Aber nur ganz kurz.« Mit einem geübten Griff um seine Taille half sie Henne auf die Beine.
Erst jetzt bemerkte er, dass das Hemd, das er trug, ziemlich kurz war und noch dazu auf der Rückseite auseinanderklaffte. Er zog es über seinen Hintern.
»Geben Sie sich keine Mühe.« Schwester Moni grinste. »Ich habe schon alles gesehen, was Sie zu bieten haben.«
»Ich nehme an, Sie sind beeindruckt.« Henne grinste ebenfalls und griff nach seinem Bademantel, den Pauline ordentlich an einen Haken neben dem Schrank gehängt hatte.
Von Schwester Moni geführt, schob er sich mit dem Tropf die Station entlang zum Schwesternzimmer. »Haben Sie viele solche Fälle wie mich?«
»Workaholics? Dauertelefonierer? Nein, die meisten Kranken sind geduldig.«
»Ich meinte, Stichverletzungen.«
»Keine Bange, man hat Sie ordentlich zusammengeflickt. Sie sehen aus wie neu.«
Henne seufzte. Die Narbe in seinem Gesicht machte ihm schon genug Schwierigkeiten. Wer weiß, was die Narbe auf dem Bauch mit sich bringen würde? Bis jetzt hatte er die Naht noch nicht gesehen.
»Da wären wir.« Sie hatten das Schwesternzimmer erreicht. »Sie setzen sich mal hübsch auf den Stuhl, während Sie telefonieren. Ein umkippender Riese würde mir gerade noch fehlen.«
Henne tat wie geheißen und wählte.
Leonhardt nahm beim ersten Klingeln ab. »Mensch, dass du schon wieder auf den Beinen bist …«
»Was ist mit Fleur König? Und der schönen Alexa?«, fragte Henne.
Leonhardt berichtete knapp von Fleur. »Derzeit ist sie im Krankenhaus. Du hast ihr den Arm gebrochen.«
»Wenn ich Zeit habe, entschuldige ich mich bei ihr.«
»Das sollte dir leichtfallen. Sie liegt eine Etage unter dir.« Leonhardt klang nicht begeistert.
»Was, hier?«
»Im Haftkrankenhaus war kein Einzelzimmer frei. Fleur König ist eine gefährliche Irre, sie kann unmöglich mit anderen zusammengelegt werden. Also wurde sie in die öffentliche Klinik gebracht, in die geschlossene Abteilung. Mir wäre lieber, sie wäre hinter Gittern.«
»Wann kommst du?«
»Morgen, so Gott will.«
»Pallauer ist nicht Gott.«
»Also morgen, fest versprochen.«
Ehe Henne weiterfragen konnte, hatte Leonhardt aufgelegt.
Henne blickte Schwester Moni an. »Wissen Sie, wie es Fleur König geht? Sie ist in der geschlossenen Abteilung.«
Schwester Moni machte ein strenges Gesicht. »Wir kümmern uns gut um unsere Patienten. Mehr darf ich Ihnen nicht sagen.«
Dämlicher Datenschutz, alles musste man selber machen. Morgen würde er Fleur König einen Besuch abstatten.
Das Krankenhaus hatte sein eigenes Leben. Henne gewöhnte sich allmählich an die Geräusche, die vom Gang in sein Zimmer drangen. Kurz nach sechs Uhr morgens ging die Schwester von der Frühschicht herum, brachte die Fieberthermometer und maß den Puls. Sieben Uhr dreißig begann die Frühstückszeit. Rollwagen klapperten über den Flur, die hergerichteten Teller wurden verteilt. War das Geschirr wieder eingesammelt, kam der Reinigungsdienst und wischte die Böden.
Um zehn war Visite. Henne hörte die Ärzte schon draußen miteinander debattieren, doch ihm konnten sie nichts Neues sagen. Immerhin befreiten sie ihn von dem leidigen Infusionsgerät.
Kaum war der weißbekittelte Trupp verschwunden, steckte Henne seinen Polizeiausweis ein und stiefelte ein Stockwerk tiefer. Dort, so hatte Leonhardt gesagt, musste die geschlossene Abteilung sein.
Die Etagentür war verschlossen, doch links daneben befand sich eine Klingel. Henne drückte den Knopf und eine Krankenschwester erschien. Zunächst wollte sie ihn an der Tür abfertigen. Wie hätte sie auch vermuten können, dass er ein Kriminalkommissar war.
»Ich will zu Fleur König«, erklärte Henne und zeigte ihr seinen Dienstausweis.
»Sie hat ein Einzelzimmer.« Die Schwester wies auf die dritte Tür rechts. »Es ist gleich hier vorn, Nummer 13.«
Henne klopfte kurz und trat ein.
Fleur König hockte mit angezogenen Beinen auf einem Stuhl am Fenster und starrte hinaus. Sie wandte kaum den Kopf.
»Sieh da, der Herr Oberkommissar. Nicht einmal hier habe ich vor Ihnen Ruhe.« Sie hielt ihm ihren Arm entgegen. »Ergötzen Sie sich ruhig an dem, was Sie angerichtet haben.«
Henne hatte einen Anflug von schlechtem Gewissen, als er die martialische Vorrichtung sah, die an ihrem Unterarm angebracht war. Unwillkürlich erinnerten ihn die Stangen und Klemmen an ein Baugerüst. Auf
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