Leipziger Affären - Kriminalroman
mit dem Gedanken gespielt, Pallauer über die Kontenbewegungen, die Fleurs sauberer Bruder mit ihrem Geld vorgenommen hatte, in Kenntnis zu setzen. Pallauer aber hatte die Nase längst wieder in die Tageszeitung gesteckt.
Also war Leonhardt zurück an seinen PC gegangen und hatte in Sachen Miriam Jakob ermittelt. Er wunderte sich, dass sie die Frau bislang nicht eingehend durchleuchtet hatten. Es gab nur eine Entschuldigung für diese Nachlässigkeit: Es hatte keinen Hinweis darauf gegeben, dass in Miriam Jakobs Fall ein wenig mehr als die üblichen Routineuntersuchungen angebracht waren. Er mochte nicht daran denken, dass vielleicht Henne absichtlich die Frau aus den Ermittlungen herausgehalten haben könnte.
Miriam Jakob war im Laufe der letzten vier Jahre neunmal umgezogen. Ihre Spur zog sich durch ganz Deutschland. Hamburg, Hannover, Düsseldorf, Berlin, Magdeburg, Schwerin, München, Frankfurt, Stuttgart, Leipzig. Überall hatte sie als freie Architektin gearbeitet.
Leonhardt hatte eine Karte vor sich ausgebreitet und malte Kringel um die Städte. Dabei massierte er seine Schläfen. Die Jakob schien ziellos hin und her gezogen zu sein. Eines allerdings war auffällig: Bei jedem Umzug war sie in ein anderes Bundesland gewechselt.
Gab es dafür einen Grund? Wollte sie vielleicht vermeiden, dass die Polizei ihre Spur verfolgte? Die Zusammenarbeit der Behörden über die Landesgrenzen hinaus klappte nicht immer so, wie sie sollte.
Leonhardt griff zum Telefonhörer. Mal sehen, was die Kollegen vor Ort dazu zu sagen hatten.
DREIUNDZWANZIG
»Sie müssen ruhen.« Die Krankenschwester schob Henne zurück ins Bett.
Henne schüttelte den Kopf, doch gegen Schwester Moni war er machtlos. Moni erinnerte ihn an seine Englischlehrerin. Sie trug den gleichen Pagenschnitt und hatte ein herzförmiges Gesicht mit einem meist strengen Ausdruck. Er konnte ihr nichts entgegensetzen, als sie ihn energisch auf die Matratze drückte und den Tropf in seine alte Stellung brachte. »Das Ding können Sie wegnehmen«, sagte er.
Schwester Monis schmallippiges Lächeln machte ihm Mut.
»Überhaupt – wann komme ich endlich hier raus?«
»Darüber entscheidet der Doktor.«
»Dann mal her mit ihm.«
»Visite ist vormittags um zehn.«
»Und?«
»Wir haben Abend.«
»Ich sterbe vor Hunger. Einen Kaffee könnte ich auch gebrauchen.«
»Klar, wir sind ein starker Häuptling, was?« Schwester Moni wandte sich zur Tür.
»Bei Ihnen bin ich mir da nicht sicher«, rief ihr Henne nach. »Bei mir schon.«
Kaum war die Schwester verschwunden, schwang er die Beine aus dem Bett. Beim Aufsetzen schwindelte es ihn ein wenig, doch es war nicht genug, um ihn aufzuhalten. Langsam tappte er zur Tür und lugte auf den Gang. Der Tropf quietschte leise, als er ihn am Arm nachzog. Hoffentlich hörte Schwester Moni ihn nicht. Henne schaute in den Gang, und da sah er, wie sie in einem Zimmer am anderen Ende verschwand.
Er schlurfte zurück zum Schrank. Irgendwo mussten seine Sachen sein.
Der Schrank war in drei Segmente geteilt. Eines für jedes Bett. Henne war der einzige Patient in diesem Zimmer. Hinter der dritten Schranktür wurde er fündig: Jeans, Unterwäsche, Socken, ein frisches Hemd. Das musste Pauline ihm mitgebracht haben.
Er tastete die Sachen ab. Ganz hinten fand er, was er suchte. Sein Handy, er zog es hervor. Das Display war schwarz, der Akku war leer. Henne warf das Handy in das Schubfach seines Nachttisches.
Er entdeckte den Rufknopf an der Kopfseite seines Bettes und drückte drauf. Dann kroch er in das Bett zurück.
Als Schwester Moni kam, lag er da, als hätte er sich die ganze Zeit über nicht gerührt.
»Also doch Indianerschmerz?«, fragte sie.
»Ich brauche ein Telefon.«
»Aber sicher. Und ich brauche Patienten, die mich mit unnötigen Privatgesprächen von der Versorgung wirklicher Notfälle abhalten.«
»Es ist wirklich dringend.«
Ein prüfender Blick traf ihn. »In Ordnung, morgen lasse ich Ihnen eine Prepaidkarte bringen. Dann können Sie das Telefon benutzen.«
»Zum Teufel, warum nicht jetzt?«
»Weil kein Mensch da ist, der es freischalten kann, klar? Und nun lassen Sie mich endlich meine Arbeit machen.« Schwester Moni schickte sich an, das Zimmer zu verlassen.
»Ich könnte von Ihrem Anschluss aus telefonieren. Sie haben doch einen?«, sagte Henne.
Die Schwester wandte sich zu ihm um. »Der ist für das medizinische Personal.«
»Schon klar, aber wenn Sie eine Ausnahme machen würden? Mir zuliebe?«
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