Leipziger Affären - Kriminalroman
öffnete die Jakob ihre Wohnungstür und bat Pauline in die Küche. Der Raum war groß, fast so groß wie Paulines Wohnzimmer. Die zwei Fenster ließen viel Licht herein. Die Sonne spiegelte sich auf den Fußbodenfliesen und in den weißen Möbelfronten. Auf dem Tisch stand ein Strauß roter Gerberas.
»Hübsch haben Sie es.« Anerkennend musterte Pauline die peinlich saubere Küchenablage. Der Ausguss war auf Hochglanz poliert. Wenn nur Erika ein klein wenig mehr Interesse für Hausarbeit hätte. Wie diese Frau Jakob zum Beispiel. Pauline rief sich zur Ordnung. Die Frau hatte Erika in ihrer Gewalt, sie war eine Verbrecherin.
»Erzählen Sie schon. Was ist mit Heinrich?« Miriam stellte den Einkauf ab.
Pauline legte die Briefe auf den Tisch und setzte sich. »Sie erwarten wohl Besuch?«, fragte sie und zeigte auf die prall gefüllten Einkaufstaschen.
»Ich habe gern Vorräte im Haus.«
»Tja nun …«
»Was ist denn nun mit Heinrich?« Die Jakob setzte sich Pauline gegenüber, stand aber gleich darauf wieder auf.
Zu gern hätte Pauline sie noch ein wenig hingehalten, doch sie musste Erika finden, das allein zählte. »Heinrich wurde mit einem Messer verletzt. Mittlerweile wurde er operiert, die Wunde wächst gut zusammen. Aber er ist natürlich noch schwach«, sagte sie.
»Ich würde ihn gern besuchen.«
»Das halte ich für keine gute Idee. Erika wird sich um ihn kümmern, meine Schwiegertochter. Sie mag es nicht, wenn andere Frauen um ihn herumscharwenzeln.«
Die Jakob nahm eine der Taschen hoch und begann, sie auszuräumen. Sie stellte Konservendosen in den Schrank. Als sie die Tür zuschmiss, schepperte es.
»Aber wenn Sie mit Erika befreundet sind, ist das natürlich etwas anderes.«
»Befreundet?« Frau Jakob befeuchtete mit der Zungenspitze die Lippen.
Sie hatte diese Kidnapperin durcheinandergebracht. Hagen Leonhardt wäre gewiss stolz auf sie. Heinrich vielleicht auch.
»Darf ich mal Ihre Toilette benutzen?«, fragte sie und stand auf, ohne die Antwort abzuwarten.
Die Jakob nickte.
Im Korridor entschied Pauline sich für die erste Tür neben der Küche. An einer Seite stand ein Schreibtisch, davor ein großes Zeichenbrett. Offensichtlich war es ein Arbeitszimmer. Sie trat an den Tisch. Da lagen Blätter, auf denen sie Grundrisse von Gebäuden erkannte, Baupläne vermutlich. Pauline schaute sich um, doch sie konnte nichts Ungewöhnliches entdecken.
Leise verließ sie das Zimmer und ging über den Gang zur nächsten Tür. Der zweite Raum entpuppte sich als das Schlafzimmer. Auf dem Bett lag eine hellblaue Strickjacke. Pauline hatte sie Erika zu Weihnachten geschenkt.
Da stand Miriam hinter ihr. »Was machen Sie hier?«
»Diese Jacke da. Wo haben Sie die denn her?«, fragte sie und versuchte, sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen.
»Wovon reden Sie?«
»Lügen Sie mich nicht an, Frau Jakob. Das ist Erikas Jacke.« Pauline ging zum Bett und hob die Strickjacke auf.
»Seien Sie still!« Die Jakob machte einen Schritt auf Pauline zu.
Pauline wich nicht zurück. »Ich will auf der Stelle wissen, wo meine Schwiegertochter ist.«
»Wollen Sie das wirklich wissen? Na, dann kommen Sie mal mit.«
Pauline atmete auf. Sie würde Erika sehen, mit ihr reden können. Vielleicht konnten sie zusammen fliehen. Diese Jakob konnte ihr keine Angst einjagen.
Sie presste die Strickjacke an ihre Brust. Die Jakob schubste sie in den Flur. Ein zweiter Schubs beförderte Pauline zur Wohnungstür. Während Frau Jakob nach dem Schlüssel angelte, der an der Türklinke hing, ließ sie Pauline nicht aus den Augen. Pauline erwiderte ihren Blick. Sie gab sich Mühe, nicht zu zwinkern.
»Gehen wir.« Die Jakob packte sie am Arm. Sie öffnete die Tür und lauschte ins Treppenhaus. Es schien leer zu sein, denn gleich darauf zog sie Pauline hinter sich her aus der Tür.
Im Haus herrschte Stille. Nur eine verirrte Fliege summte gegen die Scheibe des Fensters, das vom Treppenabsatz aus in einen Innenhof zeigte.
Pauline reckte den Hals. Sie sah den Wipfel eines Baumes, dann wurde sie auch schon weitergezerrt.
»Ein Mucks, und Sie sehen Ihre liebe Erika nie wieder«, zischte die Jakob und dirigierte sie die Treppe hinab.
Im Erdgeschoss blieben sie vor einer grau gestrichenen Holztür stehen. Die Kellertür, sie war nur angelehnt. Das Schloss war kaputt, die Eisenklinke zeigte schräg nach unten.
Die Jakob stieß die Türe auf. Die dahinterliegenden steinernen Treppenstufen waren ausgetreten. Sie führten durch
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