Leipziger Affären - Kriminalroman
er tut.«
Paulines Oberlippe begann zu beben, dann rollten die Tränen. »Er ist doch das Einzige, was ich habe«, schluchzte sie.
Was tat man in so einer Situation? Vermutlich trösten. Seine Drillinge kamen ihm in den Sinn. Wenn sich einer von ihnen wehgetan hatte, half es, dass er sie im Arm wiegte und leise sang.
Pauline weinte leise eine Weile, doch allmählich fing sie sich. »Sie müssen mich für eine sentimentale alte Schachtel halten«, sagte sie.
»Ach was, Sie sind eine Mutter. Ich bin Vater, ich verstehe das.«
»Wirklich?« Über Paulines Gesicht zuckte ein trauriges Lächeln.
»Lassen Sie uns gehen.« Leonhardt reichte ihr den Arm.
Pauline reckte ihr Kinn vor und hakte sich ein.
Miriam lauschte draußen an der Tür. Kein Laut drang heraus, sie war zufrieden damit, wie sie es dieser Erika Heine gezeigt hatte. Wenn es bloß mit Heinrich besser laufen würde!
Ob sie zu ihm nach Hause fahren sollte? Er war nicht ans Telefon gegangen. Vermutlich war er nicht da.
Sie könnte es in seinem Büro versuchen. Irgendjemand würde schon wissen, wo er sich aufhielt. Allerdings musste sie jede Aufmerksamkeit vermeiden. Die Bullen wollte sie auf keinen Fall im Haus haben.
Langsam ging sie die Treppe hoch. Fast hätte sie nicht aufgepasst und sich den Kopf an der niedrigen Decke des Kelleraufganges gestoßen. Im letzten Moment duckte sie sich.
»Guten Tag, Frau Jakob.« Frau Rabe, die ältere Frau mit den blassblau gefärbten Löckchen aus dem Erdgeschoss, stand auf der obersten Stufe und nickte ihr freundlich zu.
»T-tag … Tag auch«, stotterte Miriam.
»Ich wollte eben hinunter. Heute soll es Kirschen geben zum Nachtisch, die eingeweckten vom vorigen Jahr. Ich habe sie im Kellerregal, das muss ja auch mal geleert werden.«
»Ich helfe Ihnen. Haben Sie den Schlüssel?«
»Wie freundlich von Ihnen.« Frau Rabe reichte Miriam ihren Schlüsselbund. »Der kleine, blanke ist es. Der Keller hinten links.«
Miriam drehte sich um und ging in den Kellergang zurück. Vor der Tür zu ihrem eigenen Keller hörte sie Erika wimmern. Sie ging zu der letzten Kellertür auf der linken Seite und öffnete sie. Frau Rabes Einmachgläser standen säuberlich aufgereiht in einem Regal. Miriam griff sich ein Kirschglas und brachte es nach oben.
»Das ging aber fix«, sagte Frau Rabe.
»Gern geschehen.«
Miriam wartete, bis Frau Rabe in ihrer Wohnung verschwunden war. Erst dann traute sie sich, das Treppenhaus zu verlassen.
Der Keller war kein sicheres Versteck. Die Alte konnte jederzeit wieder Appetit auf Eingemachtes bekommen. Diese Erika musste weg.
Henne war nicht überrascht, Pauline an seinem Bett zu sehen.
Sie strich ihm übers Haar. »Junge, du machst vielleicht Sachen.«
Henne bemühte sein Gedächtnis, doch es ließ ihn im Stich. Was meinte sie bloß damit? Sein Blick fiel auf die Nadel in seiner Vene. Er sah den Schlauch, der zu einem halb vollen Infusionsbeutel an einem Metallgestell führte. Hatte er einen Unfall gehabt? Er war in der König-Villa gewesen, jetzt erinnerte er sich. Fleur und Alexa, die Frauen hatten miteinander gekämpft. Fleur hatte Alexa ersticken wollen, er hatte sich auf sie gestürzt, und plötzlich hatte sie ein Messer gehabt.
Hoffentlich war es Leonhardt gelungen, diese Verrückte festzusetzen.
Er hob den Kopf. Pauline hatte saftig gelben Löwenzahn in der Hand. Nur sie wusste, wie sehr er die Hundeblumen liebte. Als Kind hatte er Stunden damit zugebracht, die gelben Blüten zu pflücken, damit sie Sirup daraus machen konnte. Waren sie verblüht, hatte er die Samen in die Luft gepustet. Während Pauline die Blumen in eine Vase stellte, schlief Henne mit einem Lächeln auf den Lippen ein.
Leonhardt hatte gründlich über Miriam Jakob recherchiert. Hätte Pallauer gewusst, womit er sich die Zeit vertrieb, hätte es sicher Ärger gegeben. Pallauer wusste es aber nicht, wie er überhaupt wenig davon wusste, wie die Kommissare der SoKo arbeiteten. Leonhardt hatte alles getan, um diesen Zustand aufrechtzuerhalten. Zwar hatte er Pallauer über Fleurs Verhaftung Bericht erstattet, Hennes Beteiligung jedoch verschwiegen.
Pallauer hatte ihn ohne merkliche Regung angehört und dann abgewunken. »Königs Schwester, na ja. Die ist eine verrückte alte Jungfer. Sie wird ihren Bruder kaum umgebracht haben. Wurde sie festgenommen?«
»Sie ist im Krankenhaus und wird bewacht.«
»Und Königs Frau? Hat sie Anzeige gegen Fleur König erstattet?«
Leonhardt hatte den Kopf geschüttelt. Er hatte
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