Leipziger Affären - Kriminalroman
Dankwart Königs Baustellen hatte es jede Menge Gerüste gegeben. Falls die Selling gehörten, hatte König sie bestimmt nicht bezahlt, sondern das Geld dafür auf sein Schweizer Konto geschoben.
»Ihr Bruder hat Sie ruiniert«, sagte er leise. »Wissen Sie das?«
Fleur hob die mageren Schultern, sagte aber kein Wort.
»So wie es aussieht, hat Ihr Bruder eine ganze Menge Geld von Ihrem Konto abgeräumt.«
Noch immer keine Antwort. Henne lehnte sich mit dem Rücken an den Rahmen der Tür. Seine Beine zitterten leicht, lange konnte er nicht mehr stehen. »Was sagen Sie dazu?«, fragte er.
»Nichts.«
»Wie – nichts?«
»Nichts eben.«
Fleur König glich einem Vogel in der Mauser. Zerrupft und spitz. Eine bedauernswerte Kreatur. Auf einmal verspürte Henne keine Lust mehr, sich mit dieser Frau herumzuplagen. Sie hatte ihre Schwägerin angegriffen und ihn selbst, einen Polizisten, verletzt. Dafür würde sie zur Verantwortung gezogen werden. Alles andere war ihm egal.
Er löste sich vom Türrahmen und wartete kurz, ob Fleur König noch etwas hinzufügen würde. Als sie stumm blieb, wandte er sich um und öffnete die Tür. Im Hinausgehen schaute er zurück. Fleur König hatte sich nicht bewegt. Sie stierte auf den Tisch. Mit dem Zeigefinger der gesunden Hand fuhr sie die Linien des Musters auf der hellgrünen Tischdecke nach, als gäbe es nichts Wichtigeres.
Leise schloss er hinter sich die Tür.
Im Treppenhaus kam ihm Schwester Moni entgegen. Sie hatte einen Stapel Krankenakten auf dem Arm, vielleicht wollte sie ins Archiv.
»Na, großer Häuptling, sind Sie zufrieden, wie Ihre Bekannte behandelt wird?«, fragte sie.
Henne nickte.
»Da kommt übrigens eine Verwandte.« Schwester Moni wies auf Alexa König, die die Treppe herunterkam, besser gesagt, schwebte. Pure Schönheit, Fleurs Angriff hatte keine Spuren an ihr hinterlassen. Das gelbe Kleid, das sie trug, ließ ihre blonden Locken wie Gold schimmern.
Die Schönheit gönnte Henne ein gnädiges Nicken und verschwand in Richtung geschlossener Abteilung.
Alexa König besuchte ihre Schwägerin, obwohl die sie umbringen wollte. Die Frau musste ein großes Herz haben. Er an ihrer Stelle hätte Fleur aus seinem Leben gestrichen. Aber vielleicht verfolgte die schöne Alexa ein Ziel.
Der weiße Knopf mit dem K fiel ihm ein. In seinem Kopf reifte ein Plan. Er musste dringend mit Leonhardt sprechen.
Pauline sah die Frau mit den kurzen braunen Haaren schon von Weitem die Straße entlangkommen. Sie trug zwei Taschen, die bis oben mit Einkäufen gefüllt waren. Als die Frau die Haustür aufgeschlossen und im Gebäude verschwunden war, folgte ihr Pauline rasch und konnte sich gerade noch in die zufallende Tür quetschen.
»Hallo«, sagte Pauline und schob sich in den Flur.
Die Frau schenkte ihr nur einen flüchtigen Blick und machte sich daran, den Briefkasten zu leeren. Als sie den Kasten verschloss, klaffte ihre Bluse auseinander.
Pauline konnte die Ansätze ihrer Brüste sehen. Kein Wunder, dass Heinrich auf die hereingefallen ist. Erika hätte sich niemals derart freizügig gekleidet. Erika hatte Stil.
Unauffällig klemmte Pauline ihren Minischirm in die Tür, sodass der Schließmechanismus blockierte. So hatte sie es mit Leonhardt vereinbart, damit der ihr schnell zu Hilfe eilen konnte, wenn es brenzlig wurde.
Die Frau stieg die Treppen empor.
Pauline folgte ihr. »Sind Sie Frau Jakob?«, fragte sie.
Die Jakob drehte sich um und blickte Pauline an. »Was geht das Sie an, wer ich bin?«
»Heine ist mein Name. Ich bin Heinrichs Mutter.«
Die Jakob versteifte sich. Auf ihrer Stirn zeigte sich eine tiefe Falte.
Hoffentlich dachte die Frau nicht, sie als Heinrichs Mutter wollte ihr wegen ihrer Beziehung Vorwürfe machen. Sie musste sie unbedingt davon überzeugen, dass sie harmlos war.
»Ich bin bei meinem Sohn zu Besuch und habe Ihre Anrufe gehört. Er liegt im Krankenhaus, wissen Sie?«
Frau Jakob wurde blass. »Um Himmels willen, was ist passiert?«
»Er wurde niedergestochen. Es war ein feiger Anschlag, sonst hätte er sich rechtzeitig gewehrt. Aber so hatte er keine Chance.«
Die Augen der Jakob weiteten sich. Sie ließ die Hand sinken. Die Briefe, die sie eben noch gehalten hatte, fielen auf die Treppenstufen.
Heinrichs Schicksal ging ihr nahe, aber womöglich spielte sie ihr auch bloß eine Komödie vor. Pauline bückte sich und sammelte die Briefe ein.
»Ich will alles wissen. Kommen Sie herein, kommen Sie doch.«
Mit fahrigen Händen
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