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Leipziger Affären - Kriminalroman

Leipziger Affären - Kriminalroman

Titel: Leipziger Affären - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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wirre lange Haar, der wilde dunkle Bart, das dick wattierte Wams, hohe lederne Stulpenstiefel. Und an seinem Hosenbunde habe unerlaubt ein roter Lappen gehangen, der joli rouge des fernen Franzmanns. Der Posten habe ihn angerufen und Zeichen gesetzt, dass fremde Flagge dicht vor dem Stadttor Gesetzesbruch bedeuten könnte.
    Der Unhold habe darauf nur eine Handvoll Heringe genommen und sie dem Wachmann, der allein der Einhaltung städtischer Verordnung nachgekommen sei, mit dem bezeugten Schlachtruf »Aller Welt Feind. Und Gottes Freund!« in den Schlund gedrückt.
    Die Menge habe unrechtmäßig gejubelt.
    Der Vorfall könne als Zeichen von Aufruhr und Brechung des ewigen Landfriedens der langen Liste der Bosheiten von Nicolao Stortebeker anhängig gemacht werden.
    Ungesehen – der Gesetzesbrecher habe keine Ehre, verstoße willentlich gegen gute Sitten, sei von vorlauter Natur und einer, der der Hanse schweren Schaden bereite. Fortan gelte er als niederträchtige Kreatur.
    Bevor der zuständige Schultheiß den Büttel habe senden können, sei der Fliehende unter Umgehung des Wassertors nochmalig dem Zugriff über einen Geheimgang durch den nahen Deich bis zum offenen Meer hin entkommen.
    Hermann Kroners, der wachhabende Kommandant im Rathaus, habe noch nächtlich in einer Begehung die Länge des geheimen Tunnels mit zweihundertzwanzig Ellen festgestellt. Seine Tore von Land- wie Meeresseite seien auf städtische Anordnung unwiederbringlich mit frischem Torfmull verschüttet worden.
    Der Angeklagte werde heutigentags auf der gesuchten Kogge Likedeeler in tieferen Gewässern der Mecklenburger Bucht vermutet. Hermann Kroners übernehme die Aufgabe, mit zwei Kanonenkoggen am morgigen Kirchtag den gefährlichen Grobian zu stellen und ihn ohne Zögern dem Kellerverlies des Schlosses Gottesgabe zu Schwerin zu überbringen.
    Anno Domini 1380 im Wonnemond zu Wissemara

1
    Donnerstag, den 21. Mai
    Es war morgens kurz vor halb acht, als Lotte Nannsen in den Alten Hafen schlurfte, um ihren Kutter aufzusperren. Heute wollte sie ausnahmsweise etwas früher Klarschiff machen, weil zu Himmelfahrt das Geschäft mit Fischbrötchen brummte. Das lag zwar weniger am kirchlichen Feier-, als vielmehr am gleichzeitigen Herren- oder Vatertag, aber für eine Fischverkäuferin war das unerheblich. Der Unterschied zu sonst: Die Männer mit den Bollerwagen kamen früh, der Rest der Familien meist erst gegen Mittag.
    Später gab sie zu Protokoll, dass sie schon aus der Ferne verwundert gewesen sei, dass das obligatorische Willkommensgeschwader der Wismarer Seemöwen fehlte. Die treuen Vögel saßen sonst in Reih und Glied und in aller Stille auf dem Dach ihrer Kajüte und linsten gelassen der Lotte entgegen, um sie dann mit einem heiseren Krächzen und einer kleinen Ehrenflugrunde in vertrauter Art zu begrüßen.
    Heute Morgen jedoch störte ein massives, vielfach aufgeregtes, kehliges Geschrei, begleitet von heftigstem Flügelschlagen irgendwo hinter der Backbordwand des Fischkutters, die Ruhe des gemütlichen Hafens und der fünfundsechzigjährigen Lotte Nannsen. Rund um ihr Boot öffnete die rüstige Mecklenburgerin mit Schwung die schweren Regenplanen und guckte über die Reling, wo sie den Grund für das Gezeter vermutete.
    Der Anblick war nichts für schwache Nerven. Im Brackwasser der Ostsee dümpelte ein Kopf, der bei leichtem Seegang mit stetigem Klopfen gegen die Außenwand des Kutters bollerte. Die Seemöwen machten sich zeternd und balgend an ihm zu schaffen, sie hatten den Morgen über ganze Arbeit geleistet. Die Physiognomie war grotesk zerpickt.
    Mit drei gezielten Schüssen in die Luft mussten Oberkommissar Hansen und ich die Biester erst einmal verjagen, bevor wir uns jetzt mit Lotte Nannsen gemeinsam über Backbord beugten und staunten. Tatsächlich, ein Menschenkopf!
    Oder das, was von ihm übrig geblieben war. Aufgedunsen und bleich, mit mächtig zerpflückten Hautflächen. Das rechte Sehorgan fehlte komplett, ein bisschen Glibber mit Seewasser schwappte am Grund der Augenhöhle. Das linke sah man nicht sofort, da eine schwarze Filzklappe über ebenjenem vermutlich unversehrten Auge mit einem elastischen Band befestigt war. Aus dem langen, lasch herabhängenden Hals hingen noch längere weiße Venen- und Fleischfäden heraus. Keine Frage: der Kopf eines männlichen Individuums.
    »Das ist Quatsch!«, knurrte Hansen jetzt. »Denken Sie mal logisch, Kubsch!«
    »Was ist Quatsch, Chef?«, fragte ich irritiert zurück.
    »Das mit

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