Leipziger Affären - Kriminalroman
schaute stur geradeaus und lief weiter. »Schön, dass Sie nichts dagegen haben, dass ich bei ihm einziehe.« Es war ein letzter Versuch.
Und es funktionierte. Die Heine fuhr zu ihr herum. »Was haben Sie gesagt?«
»Na ja … Ich … Wir lieben uns.«
»Vielleicht sollten wir uns doch aussprechen.« Die Heine fingerte am Kragen ihrer Strickjacke herum.
»Hier sind zu viele Menschen, aber wir könnten zu mir gehen.«
Sie bemühte sich, freundlich zu gucken.
»Komisch, Sie sehen wie eine nette Frau aus«, sagte die Heine da auch schon. »Ich will nicht ungerecht sein, Sie haben schließlich nicht alleine Schuld.«
»Wir sollten reden.«
»Also gut.«
Auf dem Weg zu Miriams Wohnung waren beide schweigsam. Dennoch war es kein ungemütliches Schweigen. Miriam hatte das Gefühl, dass sie Freundinnen sein könnten, wären sie sich unter anderen Umständen begegnet. Ihre Hände waren feucht, als sie den Schlüssel ins Schloss steckte.
»Da entlang, bitte.« Sie wies nach vorn.
Heinrichs Frau machte einen zögernden Schritt und wartete dann.
»Gehen Sie nur, ich komme gleich.«
Frau Heine lächelte verlegen und ging weiter.
Miriam ergriff den schmiedeeisernen Schirmständer. Der schmiedeeiserne Fuß kratzte auf dem Parkett.
Die Heine musste es gehört haben, sie drehte sich um, doch es war zu spät. Miriam knallte den Schirmständer mit aller Kraft auf ihren Kopf. Lautlos sackte die Heine zusammen.
Miriam ließ den Schirmständer fallen und beugte sich über sie. An ihrer Schläfe war ein großer roter Fleck zu sehen, der sich zusehends dunkel färbte. Aber sie atmete. Das war gut, denn noch brauchte sie sie.
Immer wieder schweifte Hennes Blick zu der massigen Uhr. Es war ein Regulator, der seit Generationen im Besitz von seiner Familie war. Seit ihrer Hochzeit verunstaltete das dunkel gebeizte Teil ihr Wohnzimmer. Es war ihm nicht gelungen, seine Mutter zu überreden, ihn zurückzunehmen und gegen eine moderne Funkuhr auszutauschen. Pauline Heinrich hatte sich nie vorstellen können, dass Möbel nicht dunkelbraun sein könnten. Erika hingegen liebte helles Holz. Es war ein ewig währender Streitpunkt zwischen ihnen beiden.
In den letzten Stunden hatte Henne unzählige Male die Zeiger angestarrt. Noch immer haderte er mit sich. Sollte er auf Miriam warten oder besser verschwinden? Die Zeit drängte, er musste eine Entscheidung treffen.
Er gab sich einen Ruck und stand auf. Im Hinausgehen nahm er die Lederjacke vom Haken. Der Wetterdienst hatte Regen angekündigt, doch noch war der Himmel wolkenlos und strahlend blau.
»Auf!«, befahl Henne.
Dschingis öffnete ein Auge, gähnte verschlafen, klappte das Auge wieder zu und vergrub den Kopf zwischen den Vorderpfoten. »Schluss mit den Zicken.« Henne legte ihm das Halsband um und zog ihn von seinem Schlafplatz hoch.
Sie tauchten in die drückende Schwüle der Häuserschlucht ein. Augenblicklich bildeten sich unter Hennes Achseln feuchte Flecke. Dschingis blieb am erstbesten Laternenpfahl stehen.
»Komm schon!«
Die Dogge senkte den Kopf und schaute Henne von unten her an.
»Na los, mach.«
Dschingis rührte sich nicht von der Stelle. Henne zog und zerrte, doch er erreichte nur, dass sich der Hund noch mehr sträubte. Die Schweißtropfen auf seinem Rücken hatten sich mittlerweile zu einem Rinnsal vereinigt.
»Denkst du, ich schwitze nicht?«, fragte er.
Als Antwort hechelte Dschingis nur noch stärker und setzte sich auf sein Hinterteil.
Henne bückte sich, um seinen aufgegangenen Schnürsenkel zu binden.
»Gut, dass ich Sie treffe«, erklang eine Stimme in seinem Rücken.
Henne fuhr herum und richtete sich rasch auf. Hinter ihm stand das Walross und grinste schief.
»Herr Gordemitz, was wollen Sie von mir.«
Das Walross drehte verlegen ein Basecap zwischen den Händen. »Es ist wegen Manne.«
»Ach ja?«
»Ich habe einen neuen Job. Bei Zogstädt.«
»Hoffentlich haben Sie mit dem mehr Glück als mit König.«
»Manne könnte auch bei ihm anfangen, aber er muss es bald tun. Sonst ist die Stelle futsch. Wann kommt er denn zurück, der Manne?«
»Gute Frage. Leider kenne ich die Antwort nicht.«
»Aber Sie sind doch von der Polizei. Sie haben ihn doch eingebuchtet.«
»Wieso sollte ich ihn inhaftiert haben?«
Gordemitz schwieg und schlug die Augen nieder. Immer noch drehte er das Basecap in seinen dicken Händen.
Henne hatte plötzlich Mitleid. »Nun hören Sie mal gut zu. Soviel ich weiß, hat Oberkommissar Pallauer Herrn Heiligenbrand in
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