Rolf Torring 032 - In den Urwaeldern des Amazonas
Rolf Torring
032
In den Urwäldern des Amazonas
1. Kapitel.
Auf der Flucht.
Professor Thomson stöhnte plötzlich laut auf und setzte sich so schnell auf den Boden, daß ich über ihn stolperte und beinahe hingefallen wäre.
„Herrgott, was ist Ihnen?" fragte ich besorgt.
„Ich bin über einen Ast ausgeglitten und habe mir anscheinend den Knöchel gebrochen," stöhnte der kleine, tapfere Gelehrte, „lassen Sie mich ruhig liegen, die Wald-Indianer hinter uns werden mich bald finden und durch einen Giftbolzen erlösen."
„Was gibt es?" rief Rolf einige Schritte vor uns, „haltet Euch nicht auf."
„Der Professor hat sich anscheinend den Knöchel gebrochen," rief ich halblaut zurück, „wir müssen ihn tragen."
„Ich komme," rief Rolf sofort, und ich hörte seine leisen, nahenden Schritte.
„Bringen Sie sich doch selbst in Sicherheit, meine Herren," flüsterte der Professor wieder, „ich bin ein alter Mann, an mir liegt nicht viel. Und ich trüge die Schuld, wenn Sie den Indianern zum Opfer fielen."
„Aber, Herr Professor," sagte Rolf, „Sie müßten uns doch schon soweit kennen, daß wir Sie auf keinen Fall hilflos zurücklassen. Hans, nimm du den Oberkörper des Professors, ich werde die Beine nehmen. Dann schnell vorwärts, Pongo ist schon weit voraus."
Tapfer verbiß der Professor seinen Schmerz, als wir ihn aufhoben, nur ein leises, gequältes Stöhnen entrang sich ihm. Dann setzten wir uns in Bewegung, obwohl es wirklich nicht einfach war, mit dieser Last in dem stockdunklen Urwald die Andeutung des Pfades zu finden, den Pongo tastend durch die furchtbare Pflanzenwildnis schnitt.
Ich beneidete Rolf wahrlich nicht, denn er konnte ja jetzt nicht einmal seine Hände gebrauchen, um sich vorzufühlen, sondern mußte jeden Anprall, den ein Baum oder ein Strauch verursachte, mit dem Körper oder dem Gesicht auffangen.
Zwar milderte wohl sein großer Filzhut die Wucht dieser Stöße, aber sehr leicht hatte er es wahrlich nicht, denn er mußte auch noch auf den verletzten Fuß des Professors achtgeben. Endlich aber, nach vielleicht zehn Minuten, stießen wir wieder auf Pongo, dessen Anwesenheit wir nur durch das leise Knirschen merkten, mit dem sein Haimesser die Mörderlianen und Dornenranken durchschnitt.
Leise teilte Rolf ihm das Mißgeschick unseres Gefährten mit, und der schwarze Riese sagte sofort in richtiger Erkenntnis der Lage leise:
„Pongo schneller machen. Masser Torring dicht hinter bleiben."
Dann hörten wir schon, wie er mit verstärkten Kräften sein schwieriges Werk fortsetzte. Und er arbeitete seit vier Stunden so, seit dem Einbruch der Nacht, als wir aus der alten Inkastadt geflohen waren, die durch das „Heilige Feuer" zerstört wurde.
Unwillkürlich dachte ich zurück, wie wir die alte Stadt fanden, dann von den Bewohnern, Nachkommen der Präinkas, gefangen und zum Tode verurteilt wurden, nachdem sie uns noch den sagenhaften Schatz der Inkas gezeigt hatten. Wohl in der Erkenntnis, daß auch weitere Weiße den Weg zu dieser verborgenen Stadt finden würden, hatte der älteste Inka die Anzündung des „Heiligen Feuers" befohlen. Wir waren im letzten Augenblick nur gerettet worden, weil wir auf dem Marsch zur Stadt eine junge Bewohnerin vor den Pranken eines Pumas beschützt hatten. Da konnten wir uns selbst einen Rettungsweg aus dem brennenden Felsen suchen und fanden ihn auch. (Siehe Band 31: „Auf den Pfaden der Inkas.")
Aber kaum dem schrecklichen Feuertod entronnen, drohte uns schon eine neue Gefahr und zwang uns zum nächtlichen Marsch nach Osten, nach Brasilien hinüber. Das waren die Waldindianer, die den früheren Bewohnern der Stadt untergeordnet waren und vor dem Frieden, den wir endlich mit dem alten Inka geschlossen, den Befehl erhalten hatten, uns zu töten, wo sie uns fänden. Und diesen Befehl durfte der Alte nach den Gesetzen seines Volkes nicht mehr zurücknehmen.
Vier Stunden befanden wir uns nun schon auf der Flucht, und jetzt kam noch das Mißgeschick des Professors, der uns zum Besuch der alten Inkastadt bewogen hatte, hinzu.
Das Durchqueren des südamerikanischen Urwaldes ist schon am Tage nur mit äußerster Anstrengung möglich, nun erst nachts, und dazu mit den gefährlichen Feinden auf den Fersen. Trotz des lauten Konzertes, das alle Nachttiere angestimmt hatten, mußten wir uns sehr vorsichtig bewegen, denn unsere Verfolger waren im Urwald aufgewachsen und verstanden es sicher ebenso gut wie unser Pongo, fremde Geräusche sofort
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