Leise Kommt Der Tod
Sims des Küchenfensters sitzen und sie beobachten.
»Was willst du denn schon wieder hier?«, fragte sie ihn. »Ich dachte, du machst einen Tagesausflug.« Der Kater, der nun seit zehn Monaten bei Sweeney lebte, verließ das Haus normalerweise früh am Morgen durch eines der Fenster des Apartments und kam erst wieder abends zurück, um zuerst seinen Futterplatz und dann das Bett aufzusuchen. Sie hatte keine Ahnung, was er den Tag über machte.
Sweeney hatte den General geerbt, und jedes Mal, wenn sie ihn betrachtete, musste sie an den kleinen Jungen denken, mit dem sie im vergangenen Herbst Freundschaft geschlossen hatte. Kurz bevor er an Leukämie gestorben war, hatte er ihr
die Bitte abgerungen, sich um den Kater zu kümmern. Sie war zunächst entschlossen gewesen, ihn zu einem Stubentiger zu erziehen, und hatte ein Katzenklo besorgt. Doch er hasste es genauso sehr, die Plastikbox zu benutzen, wie sie es hasste, sie zu säubern, und als sie eines Tages aus Versehen das Schlafzimmerfenster offen ließ, ergab sich eine Lösung, die ihnen beiden zusagte. Sweeney wollte ihn nicht zu sehr verhätscheln. Und er wollte im Gegenzug nicht zu sehr verhätschelt werden.
Er blickte bedeutungsvoll auf ihren mit Eigelb verschmierten Teller, bis sie ihn für den Kater auf die Küchentheke stellte. In Windeseile war der Teller sauber und glänzend, und der General putzte sich mit einer seiner riesigen Pfoten den Schnurrbart, bevor er wieder zum Fenster hinaus verschwand. »Ich wünsche dir einen schönen Tag«, rief Sweeney ihm nach.
Nachdem der Abwasch erledigt war, zog sie ein Paar Jeans und eine Leinenbluse an und band ihre Haare gegen die Hitze zusammen. Dann beugte sie sich über die Bettkante und strich mit der Hand eine schwarze Strähne aus der Stirn des schlafenden Freundes. »Ian?«, flüsterte sie, »ich mache mich auf den Weg zum Museum. Es ist jetzt sieben. Wir sehen uns heute Abend, okay?«
Er blickte zu ihr auf, die Augen gegen das grelle Sonnenlicht zusammengekniffen. Da seine Brille auf dem Nachttisch lag, nahm er ihr Gesicht nur schemenhaft wahr. »Es ist noch so früh«, protestierte Ian. Normalerweise ging er nicht vor neun oder zehn ins Büro.
»Ich weiß, aber in drei Wochen eröffnet die Ausstellung, und ich habe noch so viel vorzubereiten. Die Kataloge sind gerade fertig geworden, und nun muss ich die gesamten Texte zu den Exponaten verfassen. Die Galerien sind immer noch nicht fertig gestrichen, und ich sollte mich darum kümmern, dass die Aufteilung stimmt. Ich habe Fred und Willem versprochen, früh dort zu sein.«
»Okay, okay, ich habe schon verstanden. Wie auch immer …«
Er setzte sich auf und zog sie zu sich herunter. »Darf ich den Anspruch geltend machen, ein kleines Memento deiner Existenz einzufordern, wenn ich schon den ganzen Tag ohne dich auskommen muss?«
»Aber ich habe doch so viel zu tun...« Sie fuhr mit den Händen über seine nackte Brust, noch unentschlossen, ob sie verführt werden wollte. Seine Haut war so warm wie von der Sonne aufgeheizter Stein, seine Arme fühlten sich einladend und vertraut an. Es war beinahe sechs Monate her, dass er in die Staaten gekommen war, um in Boston eine Zweigstelle seines Auktionshauses zu eröffnen. Sweeney wunderte sich immer noch regelmäßig darüber, wie schnell sie sich als Paar häuslich eingerichtet hatten. Sie kannten sich bereits seit etwa zwei Jahren, und sie vermutete, dass sie sich deshalb so schnell an das Zusammenleben gewöhnt hatten, auch wenn sie erst seit Januar in derselben Stadt wohnten. Aber trotzdem … Manchmal, wenn sie abends nach Hause kam und ihn auf dem Sofa beim Zeitungslesen oder beim Kochen antraf, in seinem blauen Bademantel mit Monogrammstickerei, hatte sie immer noch das Gefühl, das Haus eines Fremden betreten zu haben. Dann fragte sie sich für ein paar Sekunden, Wer ist dieser Mann? , ehe es ihr dämmerte, Natürlich, das ist Ian.
Jedenfalls war er ein sehr attraktiver und ausgesprochen liebenswürdiger Mann, dachte sie, während sie ihn eingehend betrachtete... und momentan ein sehr, sehr reizvoller.
»Eine Sache musst du aber noch für mich tun«, raunte er ihr zu, während er ihre Bluse aufknöpfte. Sie wollte schon protestieren, sank dann aber ergeben in seine Arme.
»Okay«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Aber nur, weil du so überzeugend bist.«
Eine Dreiviertelstunde später betrat sie das Hapner Museum of Art durch die Vordertür, in der Hand einen Pappbecher voll Kaffee. Das Museum
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