Leise weht der Wind der Vergangenheit
scharf, das das Auto sich einmal um sich selbst drehte. Die Reifen schrien entrüstet auf und Mary hörte im Geist die Stimme des Vaters, der sagte: Das gibt gute Reifen, mein Kind. Du wirst dir eine besser bezahlte Arbeit suchen müssen, wenn du weiterhin so rücksichtslos fährst.“
Anne hielt sich mit letzter Kraft an ihrem Sitz fest, doch die Puppe, die sie die ganze Zeit eisern an sich gepresst hatte, flog in hohem Bogen nach vorne und klatschte an die Windschutzscheibe. „Wir stehen genau vor der Schule", stellte das Mädchen mit abwesendem Gesichtsausdruck fest. „Gleich wird Gregory angelaufen kommen und dich fragen...“
„Ist etwas passiert, Miss?" Jemand klopfte an das vordere Fenster und starrte nach drinnen. „Ich habe das Quietschen Ihrer Reifen gehört und dachte schon, es sei etwas geschehen. Immerhin steht vor unserem Schulhaus die letzte Eiche, und die ist schon sehr alt. Wir werden sie auch nicht mehr lange haben, denn es scheint, als würde sie plötzlich unser raues Klima nicht mehr so gut vertragen." Er lachte unsicher.
Mary nickte und kurbelte die Scheibe herunter. „Wir haben Ihrer Eiche nichts angetan." Sie wagte kaum, nach hinten zu blicken. „Anne?“, fragte sie vorsichtig, und in ihrer Stimme schwang Furcht mit. „Ist mit dir alles in Ordnung?“
Ein leises Lachen kam von hinten. „Was ist nur in dich gefahren, Darling? Du bist sonst eine so sichere Fahrerin." Anne machte den Sicherheitsgurt los und schickte sich an, auszusteigen.
Mary wusste nicht, was sie sagen sollte. Am liebsten hätte sie mit ihrer Schwester über den seltsamen Anblick gesprochen, den Anne vorhin im Rückspiegel geboten hatte. Doch dann entschied sie sich, es vorläufig noch für sich zu behalten. „Ich habe für einen Moment lang die Kontrolle über den Wagen verloren", gestand sie und stieg aus.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte jetzt wieder der Mann, der eben voller Sorge angelaufen gekommen war. „Sind Sie auf der Durchfahrt? Bei uns kommen nur selten Fremde vorbei, die länger als eine Nacht bleiben." Lauernd starrte er sie an.
„Wir werden mit Sicherheit viel länger bleiben", antwortete Mary und hatte Mühe, ruhig und gelassen zu erscheinen. Noch immer war das Entsetzen in ihr. „Ich bin Mary McCarson und das ist meine Schwester Anne. Wir haben ein kleines Häuschen gemietet, Maureen House. Ist es noch weit von hier? Meine Schwester ist schon ziemlich müde.“
Ein Strahlen lief über das sonst so ernste und auch irgendwie krank aussehende Gesicht des Fremden. „Ich habe es vermutet", sagte er zufrieden. „Dann darf ich Sie beide in Ronaldsburgh willkommen heißen." Er reichte ihr die Hand. „Mein Name ist Gregory Simpson und ich bin der Lehrer dieser Schule, ab sofort ein Kollege von Ihnen. Wir unterrichten hier nicht nur unsere eigenen Kinder sondern auch die Sprösslinge der umliegenden Orte. Vierundzwanzig sind es inzwischen, in fast allen Altersklassen. Es ist also schon ein Kunststück, alle unter einen Hut zu bringen.“
Mary lächelte. Gregory Simpson gefiel ihr recht gut, obwohl sein alkoholgeschwängerter Atem ihr einige Schwierigkeiten bereitete. War es nur Zufall und hatte sie es mit einem Gewohnheitstrinker zu tun? Die junge Frau wollte an einen Zufall glauben, denn er zeigte seine Freude über die neue Lehrerin und ihre Schwester so deutlich, dass sie sich gar nicht gewundert hätte, wenn er sie gleich in die Arme nahm.
Doch nichts dergleichen geschah. Höflich hieß er nun auch Anne willkommen, die endlich ihre geliebte Puppe unter dem Fahrersitz gefunden hatte und nun zu den Erwachsenen trat. Forschend starrte sie den Schulleiter an. Ihr Gesicht war ernst und blass. „Wie geht es Ihnen, Mr. Simpson?" Anne lächelte, doch ihre großen Augen blieben ernst.
Mit dieser Frage hatte der Schulleiter zwar nicht gerechnet, doch er reagierte ziemlich rasch. „Sehr gut, Anne, danke der Nachfrage", antwortete er freundlich. „Ich könnte mir vorstellen, dass du dich mit Josh, meinem Sohn, anfreundest. Ihr beiden seid etwa im gleichen Alter.“
„Davon bin ich überzeugt." Annes Blick verschleierte sich. Hastig entriss sie dem Mann ihre Hand, die er noch immer hielt. „Das ist meine Puppe", sagte sie aggressiv und starrte ihm jetzt forschend ins Gesicht.
Gregory schien zusammenzuzucken, doch er fasste sich gleich wieder. „Eine schöne Puppe", er schien geistesabwesend zu sein. „Wie heißt sie
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