Leitfaden Homöopathie (German Edition)
psychische Veränderungen während der Erkrankung zur Arzneimitteldiagnose. Dabei können ganz allgemeine Charakterveränderungen wichtig sein (z.B. weinerlich →
Pulsatilla
, Depression →
Aurum
,Reizbarkeit →
Nux vomica
etc.). Im Arzneimittelbild von
Cimicifuga
ist z.B. die Kombination Rheumatismus/Geschwätzigkeit beschrieben. Unter den psychischen Symptomen eignen sich besonders das Selbstbild und die Krankheitsinterpretation des Patienten als Symptomengrundlage für eine Verschreibung, z.B. die Empfindung der Krankheit als Strafe Gottes (
Kalium bromatum
), der Wunsch nach Euthanasie (auch wenn nur ein flüchtiger Gedanke;
Arsenicum album
) usw.
12.3.2 Rheumatisches Fieber
1–3 Wochen im Anschluss an eine Infektion mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A auftretende Erkrankung, die Gelenke, Herz, Niere, Haut und ZNS befällt und wie die Glomerulonephritis zu den Streptokokkenzweiterkrankungen gehört.
Ursache: Das rheumatische Fieber entsteht vermutlich durch eine immunologische Reaktion von Anti-Streptokokken-Antikörpern mit Antigenen des Herzmuskels und der Klappen. In den Industrieländern fast verschwundene Erkrankung, die aber differentialdiagnostisch bei Kindern und Jugendlichen immer noch in Betracht gezogen werden muss.
Spezifische Symptome (Major-Kriterien nach Jones):
Herzentzündung (Karditis): besonders in Form einer Endocarditis verrucosa, aber auch als Myokarditis oder Perikarditis, infolgedessen treten Herzgeräusche und erhöhter Puls auf.
Polyarthritis besonders der großen Gelenke; typisch sind flüchtige Schmerzen, die von Gelenk zu Gelenk wandern.
Chorea minor („kleiner Veitstanz“): diese unfreiwilligen, ziellosen Bewegungen und Artikulationsstörungen treten fast nur bei Kindern auf.
Erythema anulare rheumaticum (rheumatische Ringelflecken): girlandenförmiger, rosaroter oder bläulichroter Hautausschlag, besonders am Stamm.
Rheumaknoten: bis hühnereigroße, derbe und verschiebliche subkutane Knoten, die besonders an Druckstellen entstehen, z.B. Hinterkopf oder Streckseiten der Unterarme.
Unspezifische Symptome (Minor-Kriterien): Fieber, Erhöhung der BSG, der Leukozyten und des C-reaktiven Proteins.
Die Diagnose kann gestellt werden, wenn mindestens zwei Major-Kriterien oder ein Major- und ein Minor-Kriterium vorhanden sind.
Therapeutische Strategie und homöopathische Behandlung
Wie schon aus der Definition hervorgeht, handelt es sich beim rheumatischen Fieber um eine heute äußerst seltene Folgeerkrankung nach Streptokokkeninfekten. Dementsprechend rar sind die Erfahrungen mit diesem Krankheitsbild in der homöopathischen Alltagspraxis. Das rheumatische Fieber mit seinen teils schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen sollte, wenn überhaupt, vom Spezialisten homöopathisch therapiert werden. Aus diesem Grund werden hier nur einige grundsätzliche Überlegungen, jedoch keine konkreten Behandlungshinweise angegeben.
Miasmatische Zuordnung
Das rheumatische Fieber mit den möglichen Komplikationen an Herz und Nieren und der akuten Ausprägung an den Gelenken ist am ehesten dem sykotischen Miasma zuzuordnen. In der Regel ist es daher nach der initialen akuten Behandlung nötig, ein tiefer wirkendes Antimiasmatikum zu verordnen.
Homöopathie als Prophylaxe
Sowohl in der schulmedizinischen als auch in der homöopathischen Praxis sind Streptokokken-Nacherkrankungen sehr selten. Dies gilt insbesondere auch für homöopathische Therapien, die bei nachgewiesenen Streptokokken (Abstrich, ASL-Titer) zugunsten der homöopathischen Medikamente gänzlich auf Antibiotika verzichten. Hier bestätigt sich die häufige Erfahrung aus der Praxis (auch bei anderen Infektionserkrankungen wie Influenza ( Kap. 28.3.1 ), Masern ( Kap. 31.1.2 ), Mononukleose ( Kap. 28.3.2 ) etc.), dass eine suffiziente klassisch-homöopathische Therapie bei Akuterkrankungen das Auftreten von Folgekomplikationen verhindert. Neben der klassischen Methode der Medikamentenwahl haben sich bei Streptokokkeninfekten, sozusagen als „bewährte Indikation“, v.a.
Belladonna
(z.B. als Einmalgabe in C30 oder C200) bewährt.
Belladonna
ist zumindest bei typischen Scharlacherkrankungen (also mit Exanthem) das Hauptmittel.
Anmerkung
Es muss jedoch gerade in Anbetracht der schweren Folgeerkrankungen vor pauschalen Verordnungen gewarnt werden, die Symptomenähnlichkeit von Erkrankungszustand und Arzneimittelbild sollte auf jeden Fall überprüft werden.
Bis zu
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