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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Kommandant, sondern auch Navigator.
    Er war gerade damit fertig, als der Personalkontakter in seinem Ohrläppchen zirpte. Miras Weckzeit!
    Er trat an ihre Wanne. Die schlafende Mira hatte ein rührend kindliches Gesicht - obwohl in ihrem Charakter nichts Kindliches zu finden war. Oder hatte er es bisher nur nicht entdeckt? Vielleicht käme das noch irgendwann zum Vorschein? Zu entdecken gab es bei ihr schließlich immer irgend etwas.
    Toliman sah, daß ihre Augenlider zu zucken begannen, die Augäpfel darunter bewegten sich, und er rief: »Wach auf, Schwester, große Dinge kommen auf uns zu!«
    Dieses »Schwester« war eigentlich eine Gemeinheit, es knüpfte an ihren letzten Streit vor der Anabiose an und machte ihn sofort wieder gegenwärtig, sie hatte sich ihm damals entzogen, und er hatte sie mit so wütendem Ausdruck als Schwester angeredet, daß dieses Wort wie eine Degradierung wirken mußte. Aber schließlich hatten sie sich ja noch vor der Anabiose versöhnt, und so erinnerte das Wort eben auch daran.
    Mira schlug die Augen auf, Bernstein im grünen Meer hatte Toliman sie einmal genannt, freilich nicht in einer Stunde des Streits. Dann belebte sich ihr Gesicht, sie richtete sich auf, kletterte heraus, sah sich um - und begriff. »Große Probleme für einen kleinen Kommandanten?« fragte sie.
    Sie hatte das nicht spöttisch gesagt, sondern eher zärtlich, und deshalb war Toliman auch nicht gekränkt, sondern betrachtete sie mit Freude. Immerhin kannte er das alles, was er da sah, die ganze zarte Figur, die ihr Temperament halb verbarg, halb offenbarte; die kleinen Brüste, die tiefen Höhlen über den Schlüsselbeinen, aus denen der schmale Hals hervorwuchs.
    Mira sah ihn nicht an und drehte und bewegte sich ganz so, als wüßte sie nicht, daß er sie betrachtete. Aber selbst als sie ihm den Rücken zudrehte, meinte sie, seine Blicke wie einen warmen Hauch zu spüren, und lächelte.
    Sie bewegte nun wie probeweise ihre Glieder, wie man das nach einer Anabiose macht, und sie wußte dabei, daß jede Kurve ihres Körpers Energie ausstrahlte, wenn sie sich so bewegte. Sie wußte, es fehlte nur noch wenig, und sie konnte ihn zwingen, ihre Nacktheit als Aufforderung zu betrachten, und es tat ihr ein bißchen leid für ihn, aber nicht nur für ihn, als sie plötzlich bemerkte, daß sie sich schämte. Es war ihr in den Kopf gekommen, daß die Ärzte nach jeder Anabiose in der Regel einen etwas gestörten Hormonhaushalt erwarteten, der sich zwar so oder so auswirken konnte; aber der Gedanke, ihre Erotik könnte blind der biologischen Steuerung folgen, hemmte sie. Schnell zog sie sich an.
    »Erzähl mal, Toli«, sagte sie, und um ganz deutlich zu machen, daß sie nicht mehr in so unduldsamer Stimmung war wie vor der Versöhnung, fügte sie hinzu: »Oder soll ich Kommandant sagen?« Er war so unvorsichtig, das zu verneinen.
    »Ich hätte das Wort Kommandant dann auch auf Komma abgekürzt«, sagte sie. »Hallo, Komma!«
    Toliman ließ sich nicht beeinflussen und berichtete sachlich und kurz.
    Schon nach seinen ersten Worten straffte sich Miras Haltung, eine leichte Neigung des Kopfes, der schräge Blick aus den Augenwinkeln zeugten von höchster Spannung. Sie wartete auch nicht ab, bis Toliman fertig war mit seinem Bericht, sondern rief zwischendurch die vorige und jetzige Position auf ihr Terminal, rechnete, kritzelte mit dem C-Stift in der Rechnung herum, löschte wieder, unterbrach aber Toliman nicht. Erst als er sein Programm für die bevorstehenden Aufgaben aussprach, lachte sie leise.
    »Bin ich zu optimistisch?« fragte Toliman.
    Mira nickte. »Ich glaube kaum, daß wir so schnell herauskriegen werden, was da eigentlich passiert ist.«
    »Du bist pessimistisch?«
    Mira schüttelte den Kopf. »Ich bin Kosmogonin. Und ich frage mich, wo die ganze Energie geblieben ist, wenn wir uns kaum von der Stelle bewegt haben. Energie verbrauchen heißt Arbeit verrichten. Was für Arbeit?« Sie schaltete. »Hier, das ist die Position vorher, und das ist die jetzige, nach deinen Berechnungen. Und was ist dazwischen? Nichts. Leerer Raum.«
    »Wird sich alles klären!« antwortete Toliman beruhigend.
    Mira knurrte leise. »Selbstverständlich wird sich alles klären. Bloß nicht so schnell.«
    »Nehmen wir uns die Protokolle vor, du die Sensoren, ich die Effektoren, einverstanden? Wir fangen an vor - vor vier Stunden, das wird reichen. Zu Beginn können wir ja schnell durchlaufen lassen, bis die ersten Abweichungen

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