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Lemmings Himmelfahrt

Lemmings Himmelfahrt

Titel: Lemmings Himmelfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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und auf direktem Weg in die Stadt hinunter. Am besten sofort zum nächsten Anwalt. Oder doch zur Polizei? Es gibt auch andere Krimineser als Krotznig, solche, deren Blick nicht getrübt ist von Hass und Borniertheit und Engherzigkeit. Solche, die sich vor den Lemming stellen, ihm zurSeite stehen und ihm den Rücken decken werden. Eigentlich gibt es
nur
andere Krimineser als Krotznig; ihm kann keiner das Wasser reichen   …
    Abermals zwängt sich der Lemming jetzt durch den Riss in der Mauer. Schließt kurz die Augen, blinzelt, um sich an das gleißende Licht zu gewöhnen. Hebt dann den Kopf   … und blickt in ein schwarzes Loch.
    Ein wohl bekanntes schwarzes Loch.
    Kugelrund.
    Durchmesser neun Millimeter.
    «Servus, Burli   …»
    Neben ihm malt die Sonne den Schatten des Teufels an die Wand, und als wäre einer nicht genug, tritt prompt noch ein zweiter hinzu: hoch gewachsen und hager, mit fröhlich zerzauster Frisur.
    «Herr Wallisch, Herr Wallisch   … Was machen S’ denn für Sachen?» Einen tief bekümmerten Ausdruck auf dem Gesicht, bleibt Dieter Tobler neben Krotznig stehen. «Stimmt das, was mir der Herr Kommissar da erzählt? Dass Sie den Herrn Balint   … Ich kann’s gar nicht fassen   …»
    «Und den Buchwieser   …», meint Krotznig grimmig, ohne den Blick vom Lemming zu wenden. «Den Buchwieser dürfen S’ net vergessen, Herr Doktor. Den hat er auch abgekragelt   …»
    «Eine furchtbare G’schicht   … Also ich weiß gar nicht, was ich sagen soll   … Herr Kommissar, wenn ich noch irgendwas tun kann   …»
    «Gar nix, Herr Doktor, gar nix. Sie haben Ihnen eh schon genug verdient gemacht, weil ohne Sie hätt i die Sau   … also hätt i den Herrn Wallisch da in der Einschicht sicher net g’funden   … Jedenfalls besten Dank im Namen der Republik, der Rest ist eine reine Amtshandlung   …»
    «Dann kann ich jetzt gehen?»
    «Aber sicher, Herr Doktor. Wir melden uns dann bei Ihnen   …»
    Dieter Tobler dreht sich um, macht zwei Schritte, hält dann noch einmal inne.
    «Ach, Herr Kommissar, bevor ich’s vergesse   …»
    Der Arzt steht nun schräg hinter Krotznig, halb verdeckt von dessen breitem Leib. Über der Schulter des Majors sind nur seine Augen zu sehen, freundliche Augen, wach und ein wenig verschmitzt.
    «Ja bitte, Herr Doktor?»
    Kurz blitzt es auf in diesen freundlichen Augen, so, als wäre Tobler eben ein besonders guter Scherz eingefallen; dann krachen zwei Schüsse.
    Für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen. Sogar die Vögel halten den Atem an. Der Lemming starrt auf Krotznig, der nach wie vor seine Dienstwaffe auf ihn richtet. Krotznig starrt auf den Lemming wie jemand, der plötzlich versteht, dass er gar nichts versteht. Blöde, unendlich blöde ist der Ausdruck auf seinem Gesicht, der Mund, der nach der Art der Karpfen auf- und zuklappt, sein leicht zur Seite geneigter Kopf, die zitternden Schnurrbartspitzen. Nach langen Sekunden erst, ganz gemächlich, sinkt Krotznig auf die Knie.
    Jetzt ist er es, der vor dem Lemming kniet, jetzt ist er es, der seine Lippen zum letzten Gebet öffnet.
    «Du Oasch   …»
    Und so, als hätte der Herr Major mit diesen zwei Worten das wohl überlegte, geistvolle Resümee seines Lebens gezogen, so, als gäbe es diesem prägnant formulierten Extrakt seines Daseins nun nichts mehr hinzuzufügen, kippt er nach vorne und rührt sich nicht mehr. Major Adolf Krotznig ist tot.
    «Komischer Mantel   …»
    Dieter Tobler, durch den Fall des Bezirksinspektors wieder in vollem Umfang sichtbar geworden, grinst und deutet auf diesteifen Mantelschöße Krotznigs, die krumm und zerknittert nach oben ragen. «Ziemlich schlecht gebügelt   …», fährt er fort, während er mit erhobener Pistole auf den Lemming zutritt. «Außerdem ist er undicht   …»
    Das stimmt allerdings. In der Mitte des Krotznig’schen Rückens lassen sich nun zwei winzige Löcher erkennen. Wie hat der Major die silberne Waffe so treffend genannt?
Schwuchtelrevolver
… Für seine Lederrüstung hat sie allemal gereicht   …
    «Aber bitte, ich will mich nicht mokieren   … De mortuis nihil nisi bene, das betrifft auch die Toilette der Toten   …», sagt Tobler jetzt. «Als Arzt hat man sich schließlich um die Lebenden zu kümmern. Wissen Sie eigentlich, Herr Wallisch, dass Sie mir wirklich ein Rätsel sind?»
    Der Lemming schweigt. Er ist auch nicht ganz bei der Sache, nicht voll aufs Gespräch konzentriert. Zwei andere Dinge bewegen sein Gemüt

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