Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
auf seinem weißen Hemd aus. Mit dem Gesicht nach unten stürzte er auf den Pier.
»Also, Mr. Lennox. Ich gebe Ihnen den Jungen. Ich lasse ihn heute Abend gehen, damit er flieht und sich versteckt und sein Leben in Angst verbringt. Aber mein Preis dafür sind Sie, Lennox.«
Ich wusste, wo der Gorilla war, der die andere Seite der Pier absuchte, und in diesem Moment kam der zweite hinter dem Kistenstapel neben mir hervor. Sein Kopf war verbunden, und was ich von seinem Gesicht sehen konnte, verriet mir, dass seine Karriere als Dressman vorbei war. Er war der Schläger, dem ich in der Nacht unserer kleinen Waldwanderung die Visage neu arrangiert hatte.
»Hier bin ich«, sagte ich ruhig und erhob mich. Ich schlug Gorilla zwo mitten in die Verbände. Ich hörte den Knall einer Kugel, die dicht an meinem Kopf vorbeisauste, und feuerte auf den anderen Halbaffen, ehe er besser zielen konnte. Er bekam den Schuss in den Bauch und krümmte sich zusammen, ließ die Waffe fallen und kreischte.
Ich zielte auf Strachan, doch er zog Downey als Schild vor sich und hielt ihm das Messer an die Kehle. Und ich hatte gerade gesehen, wie gut er es zu benutzen wusste. Strachans Bewegungen verrieten keinerlei Angst oder Panik, nur Effizienz.
Der Gorilla hinter mir schrie noch immer, daher ging ich zu ihm und kickte seinen Revolver außer Reichweite. Strachan tat nichts, als ich nach dem anderen sah. Der Verband um seinen Kopf war rot getränkt. Er hatte allen Sauerstoff verbraucht, den er je verbrauchen würde.
Ich kehrte zu Strachan zurück, der Downey weiter festhielt.
»Alles in Ordnung mit dir, Paul?«, fragte ich.
»Ich hab mir in die Hosen gepinkelt«, jammerte er unter Tränen. »Bitte, lassen Sie nicht zu, dass er mich umbringt, Mr. Lennox. Bitte lassen Sie es nicht zu.«
»Was ist, Strachan? Sie sagten, Sie lassen den Jungen gehen, wenn Sie mich bekommen.«
»Das ist nicht ganz das Geschäft, das ich mir vorgestellt habe, Mr. Lennox. Immerhin haben Sie noch den Revolver.«
»Ein anderes Angebot bekommen Sie nicht. Sprechen wir es offen aus: Wenn Sie Downey töten, töte ich Sie. Lassen Sie ihn gehen, dann können wir reden.«
»Mit ›reden‹ meinen Sie verhandeln?«
»Wenn es eines gibt, was Sie mittlerweile über mich wissen sollten, Mr. Strachan – soll ich Sie Mr. Strachan nennen? Oder Joe? Oder Colonel Williamson?«
»Wie es Ihnen am besten gefällt.«
»Jedenfalls, wenn es etwas gibt, das Sie mittlerweile über mich wissen sollten, dann, dass ich Pragmatiker bin.« Ich sah Downey an. »Paul, hör mir jetzt ganz genau zu. Wenn Mr. Strachan dich gehen lässt, dann rennst du weg. Keine Polizei. Du sagst niemandem jemals, was hier passiert ist. Hast du verstanden?«
»Ja, Mr. Lennox.«
»Wenn du leben willst, ohne dass du dich ständig nach Mr. Strachan umsehen musst, dann muss er überzeugt sein, dass du für ihn keine Gefahr bist. Du vergisst, was hier passiert ist, siehst zu, dass du so weit von Glasgow wegkommst wie nur möglich, und du kehrst niemals zurück. Hast du verstanden?«
»Ja. Das schwöre ich.« Er drehte den Kopf, soweit Strachans Griff es gestattete. »Ich verspreche es Ihnen, Mister. Ehrlich.«
»Also, Strachan. Wie sieht es aus?«
Strachan ließ Downey los. Downey stand einen Augenblick lang wie erstarrt da, ohne zu wissen, was er tun sollte.
»Geh, Paul«, sagte ich. Ich versuchte, nicht allzu beschwörend zu klingen. »Hau ab. Und vergiss nicht, was ich dir gesagt habe. Erzähl niemandem etwas von dem, was hier passiert ist, von Fraser, von Strachan und besonders nicht von mir.«
Er nickte heftig, torkelte ein paar Schritte weg, dann fing er an zu rennen.
»Ich schlage vor, wir bringen es schnell hinter uns«, sagte ich, als wir allein waren. Hinter mir hatte der Grobian mit dem Bauchschuss zu schreien aufgehört und gab die tiefen, rasselnden Laute von sich, die verraten, dass sich jemand auf dem Weg auf die andere Seite des Flusses befindet. »Ich könnte mir vorstellen, dass jemand, zum Beispiel der Nachtwächter der Werft, die Schüsse gehört hat.«
»Also wollen Sie wirklich eine Vereinbarung?«, fragte Strachan. »Ich dachte, das wäre nur Blödsinn. Gut, verhandeln wir. Und ich sage Ihnen gleich, jemanden wie Sie könnte ich immer brauchen.«
»Ich hatte den Auftrag, herauszufinden, was aus Ihnen geworden ist. Ihre Töchter haben mich engagiert. Soweit ich sagen kann, habe ich diesen Auftrag abgeschlossen. Und Sie der Polizei zu übergeben ist nicht meine Aufgabe.
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