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Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Titel: Lennox 03 - Der dunkle Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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etwas gibt, bei dem ich gut bin, Mr. Lennox, dann ist es Aktenarbeit. Und jedes Leben hinterlässt eine Aktenspur. Wenn es dazu kommt, Dokumentenwitterung aufzunehmen, bin ich wie ein eingeborener Fährtenleser.«
    »Lassen Sie mich raten: Henry Williamson ist keine fiktive Identität?«
    Fraser schüttelte den Kopf. »Er war Südafrikaner, erzogen in einem exklusiven Internat in Natal. Beide Eltern tot, keine Geschwister, alle anderen Angehörigen sowohl in verwandtschaftlicher als auch geografischer Hinsicht entfernt. Im Ersten Weltkrieg diente er als Offizier, dann ist zwanzig Jahre lang so gut wie nichts verzeichnet, außer dass er Anteilseigner verschiedener Firmen war und zwei Immobilien erworben hat: ein Wohnhaus in Edinburgh und ein ausgedehnter Landsitz in den Borders. Dann, kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, erneuert er sein Patent bei der Army, aber in einem völlig anderen Regiment als dem, in dem er während des Kriegs gedient hatte.«
    »Lassen Sie mich raten – er ist ’38 wieder in die Army eingetreten? Um die Zeit der Triple-Crown-Raube?«
    »Ganz genau. Sie müssen mir glauben, Lennox, bis dahin hatte ich nicht den leisesten Verdacht, der Mann, den ich diese vielen Jahre gekannt habe, könnte jemand anders als Colonel Williamson sein.«
    »Wie haben Sie ihn denn kennengelernt?«
    »Das war 1940. Er war in Edinburgh Castle stationiert und wurde zum Stab in Craigiehall versetzt. Irgendwann zwischen seinem Wiedereintritt und unserem Kennenlernen war er zum Major befördert worden; bei Kriegsende war er Colonel. Er wurde mit der ›Sonderausbildung‹ handverlesener Einheiten aus der Home Guard betraut. Man wählte mich aus, eine Einheit zu führen, und letzten Endes wurde er mein direkter Vorgesetzter. Ich kann Ihnen sagen, Lennox, an dem Mann war nichts, was nicht echt wirkte. Wir hatten sogar Offiziere, die sich erinnerten, ihm im Ersten Weltkrieg in Frankreich begegnet zu sein! Wie er das geschafft hat, vermag ich mir nicht vorzustellen, und es bereitet mir noch heute Kopfzerbrechen. Ich kann mich einfach nicht damit abfinden, dass er ein Schwindler gewesen sein soll.«
    »So kompliziert ist das gar nicht. Im Ersten Weltkrieg war Strachan ein Deserteur und Hochstapler, der sich als Offizier ausgab, ähnlich wie der Hochstapler Percy Toplis. Nach allem, was ich erfahren konnte, war er in der Offiziersmesse recht beliebt. Es musste andere Offiziere geben, die sich an ihn erinnerten, ob er den Namen Williamson nun benutzte oder nicht.«
    Fraser nickte. »Ich habe herausgefunden, dass der echte Williamson irgendwann zwischen 1918 und 1929 gestorben sein muss. Vermutlich wurde er von seinem Nachahmer ermordet, der daraufhin seine Rolle übernahm.«
    »Das vermute ich auch«, sagte ich. »Danach wird Strachan diese Identität nur selten benutzt haben. Allerdings sagten seine Töchter, dass er manchmal lange Zeit verschwand. Kommen wir auf den Krieg zurück – womit genau waren Strachan und Sie befasst?«
    »Offiziell waren die einzigen Scallywag-Einheiten an der englischen Südküste stationiert, wo jedermann die deutsche Invasion erwartete. Doch andererseits konnten große Fallschirmjägerverbände über den abgelegenen Teilen der Highlands abspringen oder amphibische Einheiten an einsamen schottischen Küstenstreifen landen. Daher wurde der Herzog von Strathlorne mit der Sondereinsatzausbildung für Einheiten der Auxiliary Home Guard in Schottland betraut.«
    »Und nach dem Krieg hielten Sie, Strachan und der Herzog engen Kontakt zu Ihrem kleinen Spezialkräfteklub.«
    »So etwas in der Art. Ich war stolz auf das, was ich getan habe, Lennox. Sie machen sich keine Vorstellung, was uns beigebracht wurde. Wenn es zur Invasion kommen sollte, hatten wir Sabotage- und Mordanschläge auszuführen. Jede hochstehende Person des öffentlichen Lebens, die mit der Besatzungsmacht kollaborierte, sollte eliminiert werden: Politiker, Bürgermeister, sogar Polizeichefs. Wir hatten versteckte Waffenlager in ganz Schottland und genug Rationen, um sieben Wochen durchzuhalten.«
    »Und was sollten Sie tun, wenn die sieben Wochen vorbei waren?«
    Fraser lachte bitter. »Für uns galt das Gleiche wie für die Scallywag-Einheiten an der englischen Südküste – man gab uns nur Rationen für sieben Wochen, weil man annahm, dass wir bis dahin ohnehin nicht mehr lebten.«
    »Und diese Waffenlager – sind sie alle geräumt worden?«
    »Nein. Ganz und gar nicht. Niemand außer den Einheiten selbst wusste, wo die

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