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Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Titel: Lennox 03 - Der dunkle Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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erhalten sollte.
    Nachdem ich die Kuverts zugeklebt hatte, legte ich sie alle in einen großen braunen Umschlag, auf den ich schrieb: IM FALLE MEINES TODES ZU ÖFFNEN.
    Ich hatte schon angenehmere Dinge erledigt.
***
    Ich legte den Umschlag in den Sekretär und schloss ihn, verriegelte ihn aber nicht, ging ins Schlafzimmer, legte mich auf mein Bett und rauchte. Vielleicht lag es daran, dass ich an alles denken wollte, nur nicht an den bevorstehenden Abend, aber ich begann, an zu Hause zu denken. Erinnerungen an Kanada versuchte ich nach Möglichkeit zu vermeiden, aber jetzt gab ich mich ihnen ganz hin. Ich dachte über den »Jungen vom Kennebecasis« nach, wie ich den Menschen, der ich vor dem Krieg gewesen war, immer nannte: jung, idealistisch, mit gnädigem Unwissen um den ganzen Mist gesegnet, den das Leben einem in den Weg werfen kann. Wahrscheinlich auch dumm. Ich dachte an das Töten – das Töten, das ich im Krieg getan hatte, und das Töten, dessen Zeuge ich geworden war. Wie das Töten jemanden aus mir gemacht hatte, den ich nicht mochte.
    Alles in allem war ich nicht besonders stolz auf das, was im Krieg aus mir geworden war. Ich war auch nicht besonders stolz auf das, was ich seither gemacht hatte. Nicht, dass ich mich geschämt hätte, wie wenn ich ein Menschenhändler geworden wäre, der weiße Jungfrauen in die Prostitution verschleppte oder Rauschgift an Schulkinder verkaufte oder für die Montreal Canadians Eishockey spielte – aber ich hatte schon eine Menge Sünden angehäuft.
    Doch auch mit all meinen Fehltritten und Sünden, meiner Unzucht und Sauferei, meinen Prügeleien und meinen Fensterstürzen von Excommandos war ich im Vergleich zu Gentleman Joe Strachan ein Waisenknabe. Ich wusste, dass ich ein heller Kopf war. Ich hatte genug Grips für zwei. Aber selbst da stand ich in Strachans Schatten. Er hatte es sich zum Beruf gemacht, andere mit einer mühelosen Gewandtheit, die einem den Atem verschlug, zu hintergehen und zu betrügen, ihnen Sand in die Augen zu streuen und sie völlig durcheinanderzubringen. Über das Leben und über Menschen hatte ich etwas gelernt: Wir sind nicht alle gleich. Immer wird es die Manipulierer und die Manipulierten geben, die Einzigartigen und die Unauffälligen.
    Ich fragte mich, ob Sneddon wirklich Strachans illegitimer Sohn war oder ob Gentleman Joe irgendwie dafür gesorgt hatte, dass Sneddon das glaubte.
    Vielleicht wäre heute Abend ich es, der blind in Strachans Falle tappte.
    Es klopfte an meine Tür.
    Ich hatte keine Schritte auf der Treppe gehört. Ich nahm den Webley aus der Schublade und legte ein Handtuch darüber, um sie zu tarnen. Als ich die Tür öffnete, stand Fiona White still und verlegen vor mir.
    »Fiona … kommen Sie herein«, sagte ich. »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick.« Ich ging ins Schlafzimmer, legte den Revolver wieder in die Schublade und zog mir das Hemd an. Als ich zurückkehrte, stand sie mitten im Raum, genauso befangen wie vor der Tür.
    »Stimmt etwas nicht, Fiona?«, fragte ich.
    »Die Mädchen sind in der Schule …«, sagte sie, als müsste ich verstehen, was das bedeutete.
    Und ich verstand.
***
    Wir verbrachten den ganzen Tag zusammen, hauptsächlich im Bett, bis Elspeth und Margaret von der Schule kamen. Gegen Mittag machte ich Kaffee, und Fiona eilte hinunter in ihre Wohnung, um uns kalten Braten zu holen, den wir zu Mittag aßen. Wie sie zu Lachen und Scherzen aufgelegt war, hatte ich sie noch nie erlebt, und die Vertrautheit zwischen uns war sogar noch toller als der Sex.
    Und aus einem Grund, den ich nicht verstand – oder vielleicht doch? –, machte mich das sehr traurig. Es konnte daran liegen, dass ich im Grunde nicht damit rechnete, die nächste Morgendämmerung zu sehen, oder dass mir klar war, in welch unterschiedliche Richtungen unsere Wege führten, auch wenn ich den kommenden Tag erlebte. Doch ich lachte und scherzte ebenfalls und verschloss alles andere tief in mir: meine Traurigkeit, meine Angst, meine Hoffnungen.
    Sie küsste mich, als sie ging, ein langer, sehnsüchtiger Kuss, und sie lächelte wieder auf diese Art, die mir das Mädchen offenbarte, das sie einmal gewesen war.
    Ich aß mit ihr und ihren Töchtern zu Abend, und alles war wie immer, abgesehen von den sporadischen sehnsüchtigen Blicken, die wir tauschten, wenn die Mädchen es nicht merkten.
    Fiona runzelte die Stirn, als ich mich um halb neun verabschiedete.
    »Ich muss noch einmal weg«, erklärte ich. »Eine geschäftliche

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