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Leon, Der Slalomdribbler

Leon, Der Slalomdribbler

Titel: Leon, Der Slalomdribbler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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Da zerschlug der Globus das Glas. Erschrocken wirbelte Maxis Vater herum und sah den Globus noch einen Sekundenbruchteil, bevor er ihn am Kopf traf. Fassunglos schaute Maxis Vater zu seinem fassunglosen Sohn, der jetzt in dem zweiten zerschossenen Fenster erschien.

    „Das gibt zehn Tage extra!”, sagte er mit bebender Stimme und Maxi nickte nur kurz. Dann sah er zu, wie sein Vater den Globus aufnahm, ihn in die Luft warf und mit einem Schuss, den er von seinem Sohn geerbt haben könnte, in den Himmel hochkatapultierte: „Zehn und zehn, das macht zwanzig. Zwanzig Tage Hausarrest. Ist dir das klar?” Diese Worte schossen scharf wie Rasiermesser aus dem Mund seines Vaters hervor.
    Doch Maxi hörte sie nicht. Er sah der Weltkugel nach, wie sie durch die Luft flog, immer höher und höher, und wie sie sich dann wieder senkte, an der aufgehenden Sonne vorbei, hinab und hinab und immer schneller und schneller. Dann schlug sie auf, in der Einfahrt des Nachbarn, zersprang, hüpfte noch einmal hoch in die Luft und blieb danach in zwei Teilen auf dem Beet des Vorgartens liegen. Verflixt! Das war jetzt wirklich das Ende der Welt.

Leons Traum
    Der Tag, der diesem Morgen folgte, war traurig und klamm. Noch auf dem Schulweg verschwand die Sonne hinter den Wolken, die an den Hausdächern kratzten. So tief zogen sie über die Stadt und sie waren so grau, dass alle Farben verschwanden. Die Welt war nur noch schwarzweiß. In der Schule lachten die anderen Kinder und erzählten den Lehrern begeistert, was sie in den Ferien machen wollten. Doch das brachte die Farben auch nicht zurück. Als die Lehrer uns fragten, erzählten wir nichts. Wir schwiegen. Wir schwiegen für Maxi, der zwanzig Tage Hausarrest hatte, und wir schwiegen für uns.
    Wir hatten versucht, den Winter zu vertreiben, und der Winter hatte gesiegt. Nein, der Winter hatte nicht nur gesiegt, er hatte uns vernichtend geschlagen. Überall wo wir hinschauten, gab es nur Eis und Schnee. Ans Fußballspielen war nicht zu denken. Selbst ohne Hausarrest waren die Osterferien komplett ruiniert. Deshalb freute sich keiner von uns, als der letzte Schulgong ertönte. Die anderen Kinder um uns herum rannten in ihre lang ersehnte Freiheit hinaus. Doch wir gingen ganz langsam, jeder für sich, und die einzigen Geräusche, die wir vernahmen, waren unsere Fußtritte im Schneematsch und das Wasser, das von den Eiszapfen an den Hausdächern tropfte.
    Obwohl keiner von uns etwas gesagt hatte, trafen wir alle am Bolzplatz wieder zusammen. Wir saßen auf der alten Tribüne aus Stein und schauten auf das weiße Spielfeld hinaus. Dann schauten wir zu den Bäumen, die den Bolzplatz umrahmten. Der nasse Schnee hing schwer in den Ästen. Auch Willis Kiosk neben dem Eingang war noch fest verbarrikadiert und die Eiszapfen an den Dachrinnen tropften in die Pfützen hinab.
    In den letzten Jahren war das anders gewesen. In den letzten Jahren hatte Willi am letzten Schultag vor den Osterferien immer den Kiosk und damit die Fußballsaison eröffnet. In den letzten Jahren hieß es von diesem Tag an, dass wir den ganzen Tag Fußball spielen und das zwei Wochen lang. Doch das Einzige, was wir jetzt hätten tun können, war, einen Schneemann zu bauen. Und Raban, oh, mein Gott, Raban, der Held, der tat das tatsächlich. Im April einen Schneemann bauen. Ich konnte es einfach nicht fassen. Wie konnte einer nur so wenig vom Leben verstehen?
    Ich schaute zu Marlon, der neben mir saß.
    „Das kann es nicht sein”, sagte er leise: „Das kann es einfach nicht sein!”
    Er schaute zu Maxi. Der stand einfach nur auf, nahm seinen Schulranzen und ging. Fabi ging mit ihm mit. Auch er hatte Hausarrest und musste nach Hause.
    „He, Maxi!”, rief Raban und versuchte, die zweite Schneekugel seines Schneemannes auf die erste zu stellen. „Ich finde das Wetter einfach genial.”
    In diesem Moment fiel Raban, für den die zweite Kugel viel zu schwer war, nach hinten auf seinen Po und die Schneekugel zerplatzte auf seinem Schoss. Nur noch Rabans Kopf schaute aus dem Schneehaufen raus.
    „Stell dir nur vor, du hättest zwanzig Tage Hausarrest und die Sonne würde scheinen.” Raban versuchte zu lachen, doch Maxi und Fabi drehten sich noch nicht einmal um.
    „Kommt!”, sagte Felix. „Wir hauen ab!”
    Doch wir blieben sitzen und starrten ihn an. Da platzte Felix vor Zorn: „Verflixt! Das Leben ist ungerecht. Wollt ihr ihm dabei noch lange zuschauen?”

    Jetzt folgten ihm alle. Nur ich blieb sitzen und hielt den

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