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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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inzwischen ziemlich schmutzig waren, und runzelte die Stirn noch stärker.
    „Ich kenne dich irgendwoher“, meinte er. „Irgendwo habe ich dich schon einmal gesehen, auch wenn ich mich nicht an so dreckige Füße erinnern kann.“
    „Gewiss sind wir uns schon begegnet“, erklärte Leonardo. „Und zwar in Eurem Palast in Florenz.“
    „Ich glaube kaum, dass jemand mit ungewaschenen Füßen dort eingelassen würde.“
    „Oh, da habe ich Schuhe getragen! Ich bin Leonardo di Ser Piero, der Sohn Eures Notars und Schreibers Ser Piero, der denselben Namen trägt wie Ihr. Allerdings pflege ich mich Leonardo da Vinci zu nennen.“
    „Vinci? Ist das nicht ein winziges Dorf in der Nähe von Empoli, ungefähr eine Tagesreise von hier entfernt?“
    „So ist es, hoher Herr. Doch nun beschwöre ich Euch, reitet auf gar keinen Fall weiter! Die Lunten sind wahrscheinlich schon gezündet und die Armbrüste gespannt. Man wartet nur darauf, dass Ihr an diesem Hinterhalt vorbeireitet und in die Falle geht.“
    In diesem Moment tauchte endlich auch Clarissa an der Brücke auf. Sie hatte Leonardos Schuhe aufgehoben und mitgebracht.
    „Wie ich sehe, bist du nicht allein“, stellte der Stadtherr fest. Er war erst vor Kurzem Oberhaupt der Familie Medici und Herr von Florenz geworden, nachdem sein Vorgänger Cosimo de’ Medici im Alter von über achtzig Jahren gestorben war. Cosimo den Alten hatte man ihn genannt, und auch für ihn hatte Leonardos Vater schon gearbeitet. Einmal hatte Cosimo den Jungen sogar in die Gewölbe einer unfassbar großen Bibliothek gelassen. Daran erinnerte sich Leonardo mit besonderer Freude, denn er war sehr wissbegierig.
    Damals hatten sie noch in Vinci gelebt und waren nur zu einem Besuch in der großen Stadt gewesen. Das hatte sich nun geändert, denn auch der Großvater, bei dem Leonardo bis vor Kurzem noch gewohnt hatte, war inzwischen verstorben. Und so lebte er nun bei seinem Vater und dessen zweiter Frau in Florenz.
    Leonardo drehte sich kurz zu Clarissa um. „Das ist Clarissa di Stefano, eine Verwandte meiner Stiefmutter. Clarissa lebt zurzeit in unserem Haus.“
    „Mein Vater diente Eurer Familie als Leiter der Medici-Bank in Pisa“, sagte sie. „Seit meine Eltern an einer Seuche gestorben sind, lebe ich in Florenz.“
    „Dann kommst du ja auch aus guter Familie“, sagte Piero de’ Medici. „Umso mehr wundert es mich, dass du hier in dieser Wildnis herumläufst, ohne dass jemand auf dich achtet.“
    Clarissa ging über die Brücke, drängte sich an dem Pferd des Söldners vorbei und gab Leonardo die Schuhe. „Hier, willst du die nicht besser wieder anziehen?“

Pulverdampf und Büchsenfeuer
    P iero de’ Medici gab nun ein paar Anweisungen an seine Söldner. „Reitet einen Bogen und nähert euch der Stelle, die der Junge beschrieben hat, von den Anhöhen aus. Vielleicht gelingt es euch ja, wenigstens einen von den Kerlen zu fangen, sodass wir herausfinden können, wer hinter diesem Plan steckt.“
    „Ich führe Euch gerne an eine Stelle, wo man sie gut beobachten kann“, meinte Leonardo. Er wandte sich an den Söldner auf der Brücke. „Ist Euer Name nicht Niccolo?“, fragte er. „Ich habe Euch schon im Palast gesehen.“
    „Ich erinnere mich auch an dich“, meinte Niccolo. „Da lebte Cosimo der Alte noch und du bist seitdem auch ein ganzes Stück gewachsen.“
    „Lasst Eure Pferde hier und dann führe ich Euch zu Fuß an die Stelle, die ich meine.“
    Niccolo wandte sich an seinen Herrn. „Was meint Ihr, Herr?“, fragte er. „Das ist vielleicht gar kein schlechter Vorschlag.“
    „Also gut“, nickte Piero de’ Medici. „Aber seht zu, dass dem Jungen dabei nichts geschieht!“
     
    L eonardo war schon klar, dass die Besorgnis des Stadtherrn nicht ihm persönlich galt. Auch die Tatsache, dassLeonardos Vater als Notar und Schreiber inzwischen viele wichtige Dokumente und Verträge für das Haus Medici aufsetzte, spielte dabei keine große Rolle. Wichtiger war, dass seine Stiefmutter aus einer der angesehensten Florentiner Familien stammte, die immer treu auf der Seite der Medici gestanden hatte. Da wollte man sich Ärger möglichst ersparen.
    Mehrere der Söldner stiegen nun von ihren Pferden. Einige hatten Armbrüste bei sich, einer sogar eine Hakenbüchse. Offenbar hatte Piero de’ Medici selbst schon mit der Möglichkeit gerechnet, dass man ihn vielleicht überfallen könnte. Immer wieder gab es nämlich Machtkämpfe zwischen den bedeutendsten Familien der Stadt.

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