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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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unseren Herrn umbringen wollten.“
    „Wer kommt denn für eine derartige Tat infrage?“, fragte Leonardo. „Und vor allem: Wem würde es nützen, wenn Piero de’ Medici eine Kugel in den Kopf bekäme?“
    Cristian lachte rau. „Ich denke, das weiß unser Herr Piero selbst am besten, wer dafür in Frage käme!“
    „So?“
    „Wahrscheinlich die Familien, deren Vertreter ihn im Senat am freundlichsten zulächeln und seinen Vorschlägen stets zustimmen.“ Er zuckte die Schultern und schnallte sich die Armbrust auf den Rücken. „Ist doch meistens so! Wenn jemand regiert, dann ist er umgeben von falschen Freunden, die es in Wahrheit nicht abwarten können, dass derjenige, der ganz oben ist, fällt.“
    „Auf jeden Fall waren diese Männer nicht sehr geübt im Umgang mit den Hakenbüchsen“, meinte Leonardo.
    Cristian runzelte die Stirn. „Woher willst du das denn wissen? Bist du ein Hellseher?“
    „Nein, aber das ist doch ganz klar! Wenn sie sich wirklich ausgekannt hätten, dann wären sie auf der anderen Seite der Straße in Deckung gegangen und hätten sich dort auf die Lauer gelegt.“
    Cristian verstand nicht, wie Leonardo auf diesen Gedanken kommen konnte. „Was ist gegen diesen Platz denn zu sagen? Sie konnten sich hier doch gut verstecken.“
    „Aber der Wind hätte den ankommenden Reitern doch den Geruch der brennenden Lunten entgegengetragen. Wenn sie erfahrene Schützen gewesen wären, dann hätten sie daran gedacht.“
    Cristian nickte. „Ja, mag sein, dass du recht hast. Ich persönlich traue diesen neuen Feuerwaffen nicht. Die sind mir zu umständlich, und ehe man sich versieht, explodieren sie einem in der Hand.“
    „Nur wenn man zu viel Pulver nimmt!“, belehrte ihn Leonardo.
    „Wie alt bist du?“
    „Dreizehn.“
    „Ich wüsste keine Armee, die solche Knirpse aufnehmen würde. Woher weißt du das alles?“
    „Ach, nicht so wichtig“, meinte Leonardo. Er hatte keine Lust, diesem Söldner von all den Experimenten zu erzählen, die er in den letzten Jahren durchgeführt hatte. Die Natur hatte ihn immer schon interessiert, aber auch die Konstruktion von Maschinen und wie man die Kräfte der Natur als Treibstoff von Maschinen verwenden konnte. Welche Stoffe verbrannten, welche explodierten und welchen konnte das Feuer gar nichts anhaben und warum war das so? Das waren Fragen, die für ihn genauso interessant waren wie der Mageninhalt einer toten Maus oder die Art und Weise, wie Wespen aus abgeschabten Holzkrümeln einen papierähnlichen Stoff machten, aus dem sie ihre Nester bauten. Einmal hatte er bei einem dieser Experimente um ein Haar das Haus seines Großvaters angezündet, woraufhin ihm dieser strengstens verboten hatte, noch irgendetwas mit Feuer anzustellen. Natürlich hatte er sich nicht daran gehalten. Er war nur vorsichtiger geworden.
    Einmal hatten Soldaten in der Nähe von Vinci kampiert. Natürlich hatte sich Leonardo die Gelegenheit nicht entgehen lassen zu beobachten, wie sie mit ihren Hakenbüchsen umgingen und was dabei zu beachten war.
    Aber er hatte schon die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die ihn nicht so gut kannten, oft sehrbefremdet reagierten, wenn er ihnen von seinen Studien erzählte. Manche waren einfach nur angeekelt, wenn er über die Gedärme und Knochen toter Tiere sprach, die er zerlegt hatte. Wenn es um Feuer ging, hielten das alle für zu gefährlich und fingen an, ihn zu warnen. Sobald er jedoch von seinen selbst erfundenen Maschinen sprach, hielten die meisten ihn schlicht für verrückt. Dutzende von Maschinen hatte er sich in seiner Fantasie ausgedacht und dazu Bleistiftzeichnungen angefertigt. Flugmaschinen, Kriegsmaschinen, Maschinen, die im Wasser schwimmen und tauchen konnten, und so weiter. Sogar eine ganze Stadt hatte er konstruiert, nachdem er zusammen mit seinem Vater zur stinkenden Sommerzeit einen Besuch in Florenz gemacht und sich darüber geärgert hatte, dass man in den Straßen überall aufpassen musste, nicht in irgendwelchen Dreck zu treten. Eine Stadt mit Abwasserkanälen und einem System aus Rohren, mit denen Post in jedes Haus verschickt werden konnte, hatte er sich daraufhin ausgedacht und davon Zeichnungen auf nicht weniger als zwanzig Papierbögen angefertigt, die man nebeneinanderlegen musste, um ein vollständiges Bild des neuen Florenz zu bekommen.
    Sein Großvater hatte ihn immerhin meistens gewähren lassen. Zumindest dann, wenn mit dem, was er tat, nicht irgendeine Gefahr verbunden war. Aber Leonardo hatte auch

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