Leopard
gewesen.«
»Hm, sonst noch was?«
»Nein, Harry. Abgesehen davon, dass wir sie, wie du es vorgeschlagen hast, unter Polizeischutz gestellt haben. Rund-umdie-Uhr-Bewachung, Essen an die Tür und so weiter. Sie kann jetzt die Sonne genießen. Wenn die in Bristol denn mal scheint.«
»Ich danke dir, Neil. Sollte etwas …«
»Klar, sollte etwas auftauchen, rufe ich dich an. Und umgekehrt.«
»Natürlich.
Take care.«
Sagst du, dachte McCormack, legte auf und blickte zum blauen Nachmittagshimmel empor. Die Tage waren im Sommer länger, vielleicht schaffte er es noch, anderthalb Stunden segeln zu gehen, bevor es dunkel wurde.
Harry erhob sich und ging unter die Dusche. Stand reglos da und ließ sich zwanzig Minuten lang das brühend heiße Wasser über den Körper rinnen. Dann drehte er das Wasser ab, trocknete seine empfindliche, rotgefleckte Haut ab und zog sich an. Ein Blick auf sein Handy verriet ihm, dass er, während er geschlafen hatte, achtzehn Anrufe bekommen hatte, was nur bedeuten konnte, dass sie seine Nummer herausgefunden hatten. Er erkannte die Nummern der drei größten norwegischen Tageszeitungen und der beiden wichtigsten Fernsehsender, da sie alle über Zentralen liefen und eine Hauptnummer mit denselben Ziffern und Nullen hatten. Die letzten Nummern in der Zahlenkolonne waren vielgestaltiger und führten sicher zu wissbegierigen Freelance-Journalisten. An einer Nummer aber blieb sein Blick hängen, ohne dass er wusste, warum. Vielleicht weil ein paar Bites seines Gehirns Spaß daran hatten, sich an bestimmte Zahlen zu erinnern? Oder weil ihm die ersten beiden Ziffern verrieten, dass der Anruf aus Stavanger kam? Er warf einen Blick auf die Liste der angenommenen Anrufe und stellte fest, dass er von diesem Anschluss aus bereits zwei Tage zuvor angerufen worden war. Colbjornsen. Harry drückte auf Rückruf und klemmte sich den Hörer zwischen Schulter und Wange, während er seine Schuhe zuschnürte und dabei feststellte, dass es an der Zeit war, sich ein neues Paar zuzulegen. Der Eisenbeschlag, der es einem erlaubte, sorglos in einen Nagel zu treten, stand vor.
»Verdammt, Harry. Die haben dich in den Zeitungen heute ja richtiggehend gelyncht. Ein echtes Schlachtfest. Was sagt dein Chef dazu?«
Colbjornsen hörte sich verkatert an. Oder krank.
»Keine Ahnung«, sagte Harry. »Hab noch nicht mit ihm gesprochen.«
»Das Dezernat kommt glimpflich davon, aber an dir persönlich bleibt die ganze Schuld hängen. Hat dein Chef dich zu dieser
Take-one-for-the-team-Nummer
gezwungen?«
»Nein.«
Die Frage kam nach längerem Schweigen: »Doch nicht … doch nicht … dieser Bellman?«
»Was wollen Sie, Colbjornsen?«
»Verdammt, Harry. Ich ziehe hier eine ziemlich illegale Solonummer durch, genau wie du. Ich muss also erst einmal wissen, ob wir noch im selben Team spielen.«
»Ich bin in keinem Team, Colbjornsen.«
»Gut, ich kann hören, dass du noch zu unserer Mannschaft gehörst. Den Losern.«
»Ich bin auf dem Weg nach draußen.«
»Right on.
Ich habe noch mal mit Stine Olberg gesprochen, das ist die, auf die dieser Skog ein Auge geworfen hatte.«
»Ja?«
»Allem Anschein nach hat Elias Skog ihr doch noch mehr über diesen Abend in der Hütte erzählt, als beim ersten Verhör herausgekommen ist.«
»Ich beginne langsam, an Sinn und Zweck des zweiten Verhörs zu glauben«, sagte Harry. »Häh?«
»Ach nichts, lassen Sie hören.«
KAPITEL 49
Bombay Garden
D as Bombay Garden gehörte zu jenen Lokalen, denen man eigentlich die Lebensberechtigung absprechen müsste, die aber im Gegensatz zu ihren trendigeren Konkurrenten jahrein, jahraus durchhielten. Die Lage an Oslos östlichem Rand des Zentrums, in einer Seitenstraße zwischen einem ehemaligen Holzlager und einem stillgelegten Fabrikgebäude, in dem ein freies Theater untergebracht war, war mehr als schlecht. Die Ausschankbewilligung kam und ging, wegen unzähliger Verstöße gegen diverse Vorschriften, was im Übrigen auch für die Genehmigung galt, Speisen zu servieren. Die Lebensmittelaufsichts behörde hatte bei einer unangemeldeten Überprüfung einen Nager in der Küche entdeckt, der eine frappierende Ähnlichkeit mit
Rattus norvegicus
aufwies. Im Kommentarfeld des Berichtes hatte der Vertreter der Aufsichtsbehörde Klartext geredet und die Küche als »Tatort« beschrieben, an dem »unzweifelhaft Morde der grausamsten Art« stattfanden. Die Spielautomaten an den Wänden warfen immer mal wieder Gewinne ab und wurden in
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