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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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registrierte, dass der Stoff von Kronglis rechtem Converse-Schuh nach der Begegnung mit dem Eisenbeschlag unter seinem Stiefel einen blutigen Riss hatte. Er musste diese Schuhe wirklich aus dem Verkehr ziehen. Ebenso registrierte er, dass seine Zigarette immer noch zwischen seinen Lippen hing. Und – aus dem Augenwinkel – dass das rote Pferd auf Bahn eins als Erstes durchs Ziel gehen würde.
    Harry bückte sich, packte Krongli am Kragen, zog ihn hoch und drückte ihn auf einen Stuhl. Zog an der Zigarette, in halierte und merkte, wie es in den Lungen brannte und ihn wärmte.
    »Mir ist schon klar, dass mein Vergewaltigungsvorwurf nicht viel hermacht«, sagte er, »da Charlotte Lolles oder Ihre Exfrau Sie nicht angezeigt haben. Umso mehr ist es meine Pflicht als Ermittler weiterzugraben, nicht wahr? Und damit komme ich zurück zur Hävasshütte.«
    »Verdammt, wovon reden Sie eigentlich?« Krongli klang, als hätte er sich eine akute, heftige Erkältung eingefangen.
    »Es geht um die Frau in Stavanger, der Elias Skog sich am Abend seiner Ermordung anvertraut hat. Im Bus hat er ihr erzählt, dass er in dieser Nacht in der Hävasshütte etwas gesehen hatte, was er im Nachhinein für eine mögliche Vergewaltigung hielt.«
    »Elias?«
    »Elias, ja. Er muss einen leichten Schlaf gehabt haben. In jener Nacht wurde er von Geräuschen vor dem Schlafzimmerfenster geweckt, stand auf und guckte nach draußen. Es war eine mondhelle Nacht, und er sah zwei Personen im Schatten unter dem Dachvorsprung des Klohäuschens stehen. Die Frau war ihm zugewandt, und der Mann stand so hinter ihr, dass Elias sein Gesicht nicht erkennen konnte. Elias dachte, dass die beiden sich auf einen Fick vorbereiteten. Die Frau sah aus, als würde sie einen Bauchtanz vollführen, und der Mann hielt ihr mit der Hand den Mund zu, wahrscheinlich, um niemanden zu wecken. Nachdem der Mann die Frau in das Klohäuschen gezerrt hatte, war Elias – etwas enttäuscht, die Live-Show nicht bis zu Ende sehen zu können – wieder schlafen gegangen. Erst nachdem er in der Zeitung von den Morden gelesen hatte, begann er, die Episode in einem anderen Licht zu sehen. Womöglich hatte die Frau sich so gewunden, um sich zu befreien. Und die Hand vor ihrem Mund sollte verhindern, dass sie um Hilfe rief.« Harry nahm einen neuen Zug. »Waren Sie das, Krongli? Waren Sie dort?«
    Krongli rieb sich das Kinn.
    »Alibi?«, fragte Harry.
    »Ich habe allein zu Hause geschlafen. Hat Elias Skog gesagt, wer die Frau war?«
    »Nein. Und das Gesicht des Mannes hat er, wie gesagt, auch nicht gesehen.«
    »Ich war das jedenfalls nicht. Und Sie leben gefährlich, Hole.«
    »Soll ich das als Drohung oder als Kompliment verstehen?«
    Krongli antwortete nicht. Aber in seinen Augen funkelte ein gelbes, kaltes Lachen.
    Harry drückte seine Zigarette aus und stand auf. »Ihre Exfrau hat mir übrigens nichts gezeigt. Wir haben uns im Lehrerzimmer getroffen. Weil sie Angst hat, allein mit einem Mann in einem Raum zu sein, denke ich mir. Da haben Sie doch wenigstens was erreicht, nicht wahr, Krongli?«
    »Vergessen Sie nicht, sich öfter mal umzudrehen, Hole.«
    Harry drehte sich um. Der Croupier schien völlig unberührt von dem Zwischenfall und hatte die Pferde bereits zu einem neuen Rennen an den Start gestellt. »Sie setzen wollen?«, fragte er lächelnd in gebrochenem Norwegisch. Harry schüttelte den Kopf. »Sorry, ich hab nichts zum Setzen.«
    »Desto mehr Gewinn«, sagte der Croupier.
    Harry dachte auf dem Weg nach draußen über diese Worte nach und kam zu dem Schluss, dass es sich entweder um ein sprachliches Missverständnis oder seine eigene, unzureichende Logik handelte. Vielleicht war es aber auch einfach nur ein blödes asiatisches Sprichwort.
KAPITEL 50
    Die Bestechung
    M ikael Bellman wartete.
    Dieser Moment war der beste. Die Sekunden, in denen er darauf wartete, dass sie die Tür öffnete. Gespannt, ob – und zugleich so sicher, dass – sie wieder alle seine Erwartungen übertreffen würde. Denn jedes Mal, wenn er sie sah, ging ihm auf, dass er völlig vergessen hatte, wie schön sie war. Jedes Mal, wenn die Tür sich öffnete, brauchte er ein paar Sekunden, bis er das Ausmaß ihrer Schönheit erfasst hatte. Bis die Bestätigung bei ihm ankam. Die Bestätigung, dass sie von all den Männern, die sie haben wollten – also praktisch jedem mit intaktem Sehvermögen und durchschnittlich heterosexuellen Neigungen –, ausgerechnet ihn gewählt hatte. Für ihn war das so etwas

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