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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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handelt. Ich glaube, wir können den typischen Serienmörder mittlerweile ausschließen. Die Opfer wurden nicht zufällig aus einer demographischen Gruppe ausgewählt, sondern stehen in Zusammenhang mit einem bestimmten Ort und einer ganz konkreten Zeitspanne. Es besteht also Grund zur Annahme, dass es ein klares Motiv gibt, das eventuell sogar rational begründet ist. Das würde uns die Arbeit enorm erleichtern: Finden wir das Motiv, haben wir auch den Täter.«
    Bellman sah einige seiner Leute nicken.
    »Das Problem ist, dass es keine Zeugen gibt, die uns etwas erzählen könnten. Die einzige, die unseres Wissens noch am Leben ist, Iska Peller, lag krank und allein in einem der Schlafräume und hat den ganzen Tag und die folgende Nacht verschlafen. Die anderen sind entweder tot oder haben sich nicht gemeldet. Wir wissen zum Beispiel, dass Adele Vetlesen mit einem Mann dort war, den sie erst kurz zuvor kennengelernt hatte. Niemand aus ihrem Freundeskreis scheint diesen Mann zu kennen, so dass wir wohl von einer äußerst kurzfristigen Beziehung ausgehen müssen. Ferner wissen wir, mit welchen Männern sie via Telefon und Internet Kontakt hatte, aber es braucht Zeit, alle zu erreichen. Solange wir keine Zeugen haben, müssen wir uns einen ganz eigenen Ausgangspunkt schaffen. Wir brauchen Hypothesen, um ein Motiv zu formulieren. Was ist das Motiv für den Mord an mindestens vier Menschen?«
    »Eifersucht oder Stimmen im Kopf«, war von ganz hinten aus dem Raum zu hören. »Das sagt die Erfahrung.«
    »Einverstanden. Wer könnte Stimmen im Kopf haben, die ihm befehlen, Menschen zu töten?«
    »Jeder mit einer psychiatrischen Krankengeschichte«, sang eine Stimme in nordnorwegischem Dialekt. »Und alle ohne«, antwortete eine andere Stimme. »Okay, wer könnte eifersüchtig sein?«
    »Lebensgefährten oder Ehepartner von denen, die da waren.«
    »Und auf wen trifft das zu?«, fragte Bellman.
    »Aber wir haben doch bereits die Alibis der Angehörigen der Toten überprüft und auch alle möglichen Motive«, sagte ein anderer. »Das tun wir doch immer als Erstes. Entweder hatten sie keine festen Partner, oder wir konnten sie inzwischen als Tatverdächtige ausschließen.«
    Mikael Bellman wusste genau, dass sie nur Gas gaben, während die Räder des Wagens noch immer in dem Loch hingen, in dem sie schon eine Weile feststeckten. Trotzdem kam es jetzt genau darauf an: Sie mussten Gas geben. Denn er zweifelte nicht daran, dass die Hävasshütte ein Brett war, das sie unter den Reifen schieben konnten, um wieder freizukommen.
    »Wir haben nicht alle Lebensgefährten oder Ehepartner ausgeschlossen«, sagte Bellman und wippte auf den Hacken. »Wir haben sie nur nicht als verdächtig eingestuft. Wer hatte kein Alibi für die Zeit des Mordes an seiner Frau?«
    »Rasmus Olsen!«
    »Korrekt. Und als ich im Störung mit Rasmus Olsen gesprochen habe, hat er mir gegenüber eingeräumt, dass es vor ein paar Monaten eine kleine Eifersüchtelei gegeben hat. Wegen einer Frau, mit der Rasmus geflirtet haben soll. Marit Olsen hat sich damals auf die Hävasshütte zurückgezogen, um in Ruhe nachzudenken. Zeitlich könnte das hinkommen. Vielleicht hat sie ja mehr getan, als nur nachzudenken. Vielleicht hat sie sich gerächt. Und ich habe noch eine Info. In der entsprechenden Nacht, in der die Opfer in der Hävasshütte waren, befand Rasmus Olsen sich nicht in Oslo. Er hatte ein Zimmer im Hotel in Ustaoset gebucht. Was hat Rasmus in der Gegend gemacht, wenn seine Frau in der Hävasshütte war? Und hat er die Nacht wirklich im Hotel verbracht oder eine knappe Skitour von dort entfernt?«
    Die Blicke vor ihm waren jetzt nicht mehr apathisch und müde, es war ihm gelungen, sie wieder zum Leuchten zu bringen. Er wartete auf Antworten. Eine so große Ermittlergruppe war in der Regel nicht sonderlich effektiv bei solchen improvisierten Ratespielchen, aber sie arbeiteten inzwischen so lange gemeinsam an diesem Fall und jeder im Raum hatte schon mal Ohrfeigen einstecken, seine phantasievollen Hypothesen und todsicheren Tipps abschmettern sehen und Kratzer am Ego einstecken müssen.
    Einer der Jungen wagte sich vor: »Er könnte am Abend unangemeldet zur Hütte gekommen sein und sie auf frischer Tat ertappt haben. Vielleicht hat er sie nicht gestellt, sondern später in aller Ruhe Rache geübt.«
    »Vielleicht«, sagte Bellman, ging zum Rednerpult und hielt eine Notiz hoch. »Argument eins für eine solche Theorie: Das habe ich gerade von Telenor

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