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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Miene.
    Sie verdrehte die Augen und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie sich freute. »Gib schon her.«
    »Vielen Dank«, sagte er, öffnete die Tüte, die zu ihrer Erleichterung keine Flaschen enthielt, und reichte ihr eine geöffnete Stange Camel, in der ein Päckchen fehlte.
    Sie ging vor ihm zum Flugzeug, damit er ihr Lächeln nicht sah.
    Kaja hielt sich lange genug wach, um den Take-off mitzubekommen und Hongkong unter sich im Dunst verschwinden zu sehen. Und sie registrierte Harrys Blick, der dem Servierwagen folgte, der sich ruckweise mit lustigem Flaschengeklirr näherte, und hörte ihn mit geschlossenen Augen »no thank you« sagen, als die Stewardess ihm etwas zu trinken anbot.
    Sie fragte sich, ob Gunnar Hagen recht hatte. War der Mann neben ihr wirklich der Mann, den sie brauchten?
    Dann war sie weg, vom Schlaf übermannt, und sie träumte, dass sie vor einer verschlossenen Tür stand und einen einsamen, kalten Vogelschrei aus dem Wald hörte, dabei schien die Sonne so warm. Dann öffnete sie die Tür …
    Sie wachte mit dem Kopf an seiner Schulter und angetrocknetem Speichel im Mundwinkel auf, als die Stimme des Kapitäns verkündete, dass sie den Landeanflug auf London begannen.

KAPITEL 5
     
    Der Park
     
    M arit Olsen liebte es, in den Bergen Ski zu laufen. Aber sie hasste es zu joggen. Sie hasste ihren keuchenden Atem nach wenigen Hundert Metern, das erdbebengleiche Zittern der Erde bei jedem ihrer Schritte und die erstaunten Blicke der Spaziergänger. Und sie hasste die Bilder in ihrem Kopf, wenn sie sich selbst mit den Augen der anderen zu sehen versuchte: das Wabbeln des Doppelkinns, das Schwabbeln ihrer Fettpolster unter dem Trainingsanzug und der hilflos glotzende Fisch-an-Land-Blick, den sie selbst so häufig beobachtet hatte, wenn übergewichtige Menschen sich sportlich betätigten. Auch deshalb hatte sie ihre drei Joggingtouren pro Woche durch den Frognerpark auf abends zehn Uhr gelegt: Dann war dort kaum noch ein Mensch. Und falls sie doch jemandem begegnete, sah er kaum etwas von ihr, wenn sie sich zwischen den wenigen Laternen über die Wege schleppte, die kreuz und quer durch den größten Park der Stadt führten. Auf jeden Fall nicht genug, um in ihr die Stortingsabgeordnete der Arbeiterpartei für die Region Finnmark wiederzuerkennen. Das »wieder« konnte man getrost streichen, kaum jemand kannte Marit Olsen. Wenn sie selten genug ans Rednerpult trat – in der Regel, um sich für die Belange ihres Wahlkreises einzusetzen –, erntete sie bei weitem nicht die gleiche Aufmerksamkeit, die anderen, fotogeneren Kollegen zuteilwurde. Abgesehen davon hatte sie im Laufe der zwei Legislaturperioden, die sie inzwischen im Storting saß, nichts Falsches gesagt, und ihr waren auch keine gröberen Schnitzer unterlaufen. Persönlich zog sie diese Begründung für das fehlende Interesse der Öffentlichkeit auf jeden Fall vor. Die Be hauptung des Redakteurs vom Finnmark Dagblad, sie sei ein politisches Leichtgewicht, war eine wirklich boshafte Anspielung auf ihre Körperfülle. Aber derselbe Redakteur hatte nicht ausgeschlossen, dass Marit Olsen einmal Teil einer Arbeiterpartei-Regierung sein könnte, da sie die wichtigsten Anforderungen erfüllte: keine Ausbildung, kein Mann und nicht aus Oslo.
    Mag sein, dass er recht hatte und ihre Stärke tatsächlich nicht in den großen – vagen – Gedankenexperimenten lag. Aber sie war eine Frau aus dem Volk, eine, die wusste, was die einfachen Leute auf der Straße bewegte, und die zwischen all den aufgeblasenen und selbstzufriedenen Bewohnern der Hauptstadt gern ihr Sprachrohr war. Denn Marit Olsen redete frei von der
    – mittlerweile etwas zu großen – Leber weg. Das war ihre eigentliche Qualifikation, und nur das hatte sie dorthin gebracht, wo sie heute war. Mit verbaler Intelligenz und Humor – die Leute im Süden bezeichneten das gerne als trocken oder nordnorwegisch – war sie die sichere Siegerin in den wenigen Debatten, an denen sie hatte teilnehmen dürfen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sie bemerken würden. Sie musste nur einige ihrer Kilos loswerden. Es gab Studien, die belegten, dass übergewichtige Menschen weniger vertrauenswürdig wirkten, weil das Unterbewusstsein am Übergewicht fehlende Selbstbeherrschung festmachte.
    Sie kam zu einer Steigung, biss die Zähne zusammen und verkürzte die Schrittlänge, bis sie, um ehrlich zu sein, mehr ging als lief. Powerwalk. Ja, warum sollte sie es nicht so nennen. Ein

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