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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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ausgerechnet hatte, dass es in Sydney früher Vormittag war, hatte er Iska Pellers Nummer gewählt. Sie hatte sehr erstaunt reagiert, als er sie auf die Håvasshütte ansprach, konnte Harry aber nicht viel über die Zeit ihres Aufenthalts in der Touristenhütte berichten, da sie mit hohem Fieber in ihrem Zimmer gelegen hatte. Wahrscheinlich war sie zu lange in verschwitzten, feuchten Sachen herumgelaufen oder hatte sich als ungeübte Skiläuferin mit dieser Hüttentour übernommen, wenn sie sich die Grippe nicht völlig zufällig eingefangen hatte. Auf jeden Fall hatte sie es mit Müh und Not zur Håvasshütte geschafft, wo ihre Reisebegleitung Charlotte Lolles sie augenblicklich ins Bett geschickt hatte. Dort war Iska Peller dann in einen unruhigen Schlaf gesunken und aus diesem immer wieder hochgeschreckt, während ihr Körper abwechselnd schmerzte, schwitzte und fror. Was sich zwischen den Anwesenden in der Håvasshütte abgespielt hatte, ja sogar, wer die anderen gewesen waren, hatte sie schlicht und einfach nicht mitbekommen, da sie und Charlotte als Erste in der Hütte angekommen waren. Am nächsten Tag war sie liegen geblieben, bis die anderen gegangen waren und sie gemeinsam mit Charlotte von einem Polizisten aus der Gegend, den Charlotte irgendwie erreicht hatte, mit einem Schneescooter abgeholt worden waren. Er hatte sie mit zu sich nach Hause genommen und ihnen angeboten, bei ihm zu übernachten, weil das Hotel ausgebucht wäre. Sie hatten das Angebot erst angenommen, es sich gegen Abend aber doch anders überlegt, einen späten Zug nach Geilo genommen und sich dort im Hotel eingemietet. Charlotte hatte Iska nichts von dem Abend in der Håvasshütte erzählt, vermutlich, weil er ereignislos gewesen war.
    Fünf Tage nach der Hüttentour war Frau Peller von Oslo zurück nach Sydney geflogen, immer noch etwas fiebrig, und hatte nach ihrer Rückkehr regelmäßig Mailkontakt mit Charlotte gehabt, ohne dass ihr dabei etwas Ungewöhnliches aufgefallen wäre. Bis sie die schockierende Nachricht erhalten hatte, dass die Freundin tot hinter einem Autowrack in einem Waldstück am Dausjøen, unweit des Osloer Stadtrandes, gefunden worden war.
    Harry hatte Iska Peller taktvoll, aber ohne Umschweife erklärt, dass er sich Sorgen um die Personen mache, die sich an diesem Abend in der Hütte aufgehalten hatten, und dass er, sobald er aufgelegt hatte, den Leiter vom Morddezernat des Polizeidistrikts Sydney South anrufen würde, Neil McCormack, mit dem er in einem früheren Fall zusammengearbeitet hatte. McCormack würde eine detaillierte Aussage von ihr aufnehmen und – auch wenn Australien weit weg war – dafür sorgen, dass sie bis auf weiteres Polizeischutz erhielt. Iska Peller schien das Ganze mit Fassung zu tragen.
    Danach hatte Harry die zweite Nummer angerufen, die er von Katrine bekommen hatte, die Nummer in Stavanger. Er hatte viermal erfolglos probiert, jemanden zu erreichen. Natürlich musste das nichts heißen. Nicht jeder schlief mit dem eingeschalteten Mobiltelefon neben sich wie Kaja Solness. Sie hatte das Gespräch nach dem zweiten Klingeln entgegengenommen und mit einem knappen »Ja« geantwortet, als Harry sie hatte wissen lassen, dass sie den ersten Flug nach Stavanger nehmen würden und sie ihn um fünf nach sechs am Zubringerzug treffen sollte.
    Um halb sieben waren sie am Osloer Flughafen eingetroffen, wo Harry erneut die Nummer gewählt hatte, ohne dass jemand abhob. Eine Stunde später waren sie in Sola gelandet, Harry hatte es noch einmal probiert, wieder ohne Erfolg. Auf dem Weg vom Terminal zum Taxi hatte Kaja den Arbeitgeber erreicht, der ihr mitgeteilt hatte, die von ihnen gesuchte Person sei nicht zur gewohnten Zeit am Arbeitsplatz erschienen. Harry hatte sie daraufhin mit leichtem Druck auf ihr Kreuzbein an den lauthals protestierenden Wartenden vorbei ins erste Taxi geschoben und sich von den Menschen mit einem »Danke, Leute, und einen schönen Tag noch!« verabschiedet.
     
    Es war exakt 08.16 Uhr, als sie vor dem weißen Holzhaus in Våland vorfuhren. Harry überließ Kaja das Bezahlen, stieg aus und ließ die Tür offen stehen. Die Fassade gab nichts preis. Er atmete die feuchte, frische, aber dennoch milde Vestlandsluft ein. Bereitete sich innerlich vor. Weil er es wusste. Natürlich, er konnte sich irren, wusste es aber mit derselben Sicherheit, mit der er wusste, dass Kaja »Danke« sagen würde, wenn der Fahrer ihr die Quittung gab.
    »Danke.« Die Autotür schlug zu.
    Der Name

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