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Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler

Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler

Titel: Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.A. Foster
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hatten sie nicht einen einzigen Ler, der damit beauftragt gewesen wäre, die eigenen Werte darzulegen; alles wurde von Menschen gemacht, die im wesentlichen guten Willens waren, aber wenig direkte Erfahrung mit ihrem Fach hatten. Sie sprachen geübt, sie hingen einer strengen Wissenschaftlichkeit an, aber ihnen fehlte das richtige Gefühl für den Gegenstand. Umgekehrt quälten sich die Ler mit fast dem gleichen Verfahren bei ihrer Betrachtung des Menschen ab. Da sie sich schmerzlich ihrer Verwundbarkeit wegen des langsamen Zuwachses ihrer Bevölkerungszahl bewußt waren, zogen sie sich in ihr Reservat und tiefer in sich selbst zurück. Vance und Fellirian konnten den Kurs, den mehrere Jahrhunderte genommen hatten, nicht aufhalten oder viel daran ändern, aber das wenige, das sie erreicht hatten, betrachteten sie als einen Wert, der beträchtlich über Null lag.
    Vance saß nun zu einer Seite gelehnt auf einem Stuhl; ihn langweilten die endlosen, sich im Kreise drehenden Wortklaubereien der Besucher untereinander, ein Vorgang der Art, von der er definitiv zu viele innerhalb seines eigenen Instituts hatte ertragen müssen. Oben und unten. Während er darauf wartete, daß sie in die Wirklichkeit zurückkehrten und endlich Schluß machten, beobachtete er Fellirian, wie sie auf der Fensterbank saß und in die wolkenverhüllten und regenbespritzten Tiefen des Novembers blickte.
    Seine Vorstellung von ihr war subjektiv, von der Erinne rung verfärbt, durch viele Gefühle leicht verzerrt, von denen einige Quellen entsprangen, die ihm verborgen geblieben waren, wie sehr er auch versucht hatte dahinterzukommen. Paradoxerweise hatte er festgestellt, daß Fellirian mehr objektive Vorstellungen hatte als er, selbst dort, wo es um gewohnte und bekannte Dinge ging. Er hatte gedacht, daß das totale Gedächtnis das Bild der Gegenwart noch mehr trüben würde, aber im Gegenteil festgestellt, daß es für Fellirian die Gegenwart klarer machte. Die Bilder waren ganz deutlich.
    In dem Licht in dem Raum und in dem gedämpften, trüben Tageslicht, das durch die Fenster hereinkam, sah er eine anmutige Ler-Frau unbestimmten Alters auf der Fensterbank sitzen, die das typische Allzweckgewand der Männer wie der Frauen trug, und zwar in der Ausführung für den Winter, nämlich den Zimpleth. Das war im wesentlichen etwas, was einem losen, zwanglos geschnittenen Hemd mit sehr langem Rückenteil ähnelte, das bis zu den Knöcheln reichte. Es umfloß weich die Umrisse ihres Körpers und endete an den Armen in weiten Ärmeln, die nicht ganz bis zu den Handgelenken reichten. Unter dem Zimpleth war außer Fellirian nichts, aber auf irgendeine Weise war es gelungen, die Gestalt innerhalb der Umrisse völlig zu verhüllen. Sie war barfuß, aber das war im Augenblick kaum zu sehen, da sie die Beine unter sich gefaltet hatte. Er erkannte an ihrem Profil, daß sie immer noch das Antlitz hatte, das er von jeher kannte, ein ausgelassenes, freches, schelmisches Gesicht mit einer starken Nase, die nur ein wenig zu groß war für das Gesicht, und einem breiten, üppigen, weichen Mund, der heimlich zum Lachen neigte. Ihre Haut war von heller Farbe, auf die ein dunkler Ton nur einen ganz leichten Schatten warf. Das Haar war ein neutrales Dunkelbraun, ganz fein und glatt und im Nacken zu einem einzigen Zopf zusammengebunden, der bis zur Mitte des Rückens fiel.
    Vance hatte Fellirian kennengelernt, als er an das Institut gekommen war; sie waren an Jahren etwa gleich alt. Seit der Zeit, da er sie kennengelernt hatte, hatte er viele Seiten von ihr gesehen; er hatte sie als Heranreifende gesehen, als sie in seinen Augen promiskuitiv und zu sehr auf ihre Sexualität fixiert gewesen war. Aber auch als eine rodhosi, eine in der Elternphase – ernst und praktisch war sie da gewesen und als Oberhaupt des Klans vollkommen von der Führung der Geschäfte in Anspruch genommen. Jetzt befand sie sich an der Grenze zum wahren Ältestentum. Die Lebensspannen der Ler reichten bis zu einhundertzwanzig Jahren und darüber; die Hälfte ihres Lebens erschöpfte sich in den ersten drei Phasen und der Rest in der letzten Phase. Sie vertraten die Ansicht, daß man erst mit dem Erreichen des Ältestentums man selbst wurde, wenn, wie sie es ausdrückten, alles, was ablenkte, wegfiel und die Substanz offenbar wurde. Bei Fellirian war es so, daß sich aus ihr selbst ein Geschöpf herausentwickelte, daß individueller und einzigartiger war, als er es sich je vorstellen wollte.
    Zwanzig

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