Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler
endlosen Kreislauf befreit zu sein, aber jetzt, da er frei war, gab es für ihn wenig genug, für das es sich gelohnt hätte zu verweilen. Das wirkliche Leben war dort, nicht hier.
Das waren bittere Gedanken; Morlenden verbrachte jetzt mehr Zeit auf den leeren Waldwegen, verlor das Interesse am Essen, nahm ab. Mit den Wochen wurde er recht hager und wirkte hungrig; seine scharfen und wie gemeißelten Gesichtszüge wurden geschliffener und schärfer. Einmal versuchte er zu fasten, damit ihm eine Vision erscheinen möge; dies war eine Methode, von der er gehört hatte. Aber auch das blieb ergebnislos; er bekam es bald satt. Entweder mangelte es ihm an einem eingeborenen Sinn für Ehrfurcht, der für die religiöse Erfahrung erforderlich war, oder vielleicht mangelte es ihm an einer grundlegenden Fähigkeit zur Disziplin, die für das Zustandekommen der Vision notwendig war. Jedenfalls stellte sich nie eine ein. Er wurde nur noch ein klein wenig dünner und eine ganze Menge hungriger.
Er kehrte wieder zu den alten Gewohnheiten zurück und nahm versuchsweise die alten Arbeits- und Eßgewohnheiten wieder auf. Und wehmütig dachte er bei sich, daß er tatsächlich die letzte Lektion gelernt hatte. Und in dieser Zeit geschah es, daß er sich wieder gen Süden wandte und mit seiner Heimreise begann. Er versuchte, sich vorzustellen, wie es wohl sein würde, wenn er tatsächlich heimkehrte: Fellirian würde wissen wollen, was er gemacht hatte, und er würde sie wissend anlächeln und sie ihre eigenen Schlüsse ziehen, sich ihre eigenen Gedanken machen lassen. Vielleicht konnte er ab und zu eine rätselhafte Bemerkung fallenlassen, etwas andeuten, nie etwas direkt, offen heraussagen. Es würde ihr recht geschehen. Sie selbst hatte wahrscheinlich die gleiche Leere gesehen, die er entdeckt hatte, deren Kern in ihm selber war, die ständige Einsamkeit, die im Herzen aller denkenden Wesen des Universums ruht. Er wußte jetzt, daß alle diejenigen, die den Vorzug gehabt hatten, zum vayyon zugelassen zu sein, an diesem Geheimnis teilhatten.
Er kehrte langsam zurück. Es gab jetzt keine Eile. Er hatte den größten Teil der Entfernung zurückgelegt, und es blieben ihm nur noch einige Tage des gemächlichen Reisens und Arbeitens, als er zufällig an einem Ort vorbeikam, der Lamkleth hieß, was „harzduftend“ bedeutete, und der eine Kombination aus vielerlei war: unauffälliger Erholungsort, Herberge, Ältestenhütte für eine Hüttenorganisation, die von den meisten Ältesten vergessen zu sein schien. Er trug den Namen einer Ansiedlung oder Stadt, schien aber nicht mehr zu sein als eine zufällige Ansammlung von Hütten, verschachtelten Holzbauten in einem hochgiebeligen, ausgefallenen Stil, verschachtelten Arbeitsschuppen und schäbigen Zelten entlang des Sees, alles halb versteckt und übergangslos mit den Nadelbäumen des Waldes verschmolzen. Er lag an einem finsteren Hohlweg, an einem felsigen, engen Tal, das sich plötzlich auf eine weite Niederung hin öffnete. An der Mündung des Tales war ein stiller, dunkler See, der im Osten, auf der Talseite, von einem gemischten Sand- und Felsstrand und im Westen von einem feuchten, baumverstopften Sumpf begrenzt war. Das Gebiet rund um den Hohlweg und den See herum war dicht mit Kiefer und Zeder, Sumpftanne und Lebensbaum, Deodara und Chamaephyte, Bodeneibe und Retinispora bewachsen. Ein beißender Harzgeruch hing in der Luft, und der Rauch der Feuer duftete köstlich. Ein düsterer Ort, was zweifellos viel damit zu tun hatte, warum er sich allgemein nie großer Beliebtheit erfreut hatte.
Nichtsdestotrotz war Lamkleth für eines bekannt; hier kamen die Heranreifenden zusammen, hinter denen der Zwang der Konvention stand, um sich mit anderen Gleichgesinnten zu treffen, um zu verführen und sich verführen zu lassen, um des Nachts unter den bunten Laternen zu tanzen, um zu singen und den letzten herzzerreißenden Liedern der Sehnsucht zu lauschen, bevor ihnen schließlich die Zügel angelegt wurden. Persönlich hatte Morlenden nie viel um den Ort gegeben, und es war eine Tatsache, daß er, obwohl er oft daran vorbeigekommen war, nie kürzere oder längere Zeit in ihm verweilt hatte. Aber dieses Mal – als er an Lamkleth auf der Hügelkette über dem Tal und dem See, über dem dunklen Gewässer, den tiefen Schatten und hellen Laternen vorbeikam – dachte er wieder an die letzte Gelegenheit … Er wanderte langsam zu der Siedlung hinunter. Er spürte in sich die letzten Spuren der
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