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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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uns nicht besser gehen, solange der Kaiser uns diese Kerle nicht vom Halse schafft. Nieder mit dem Papst!« (Man stand damals schlecht mit Rom.) »Ich für meinen Teil brauche nur den Kaiser und sonst nichts« usw. usw.
    Dagegen war Frau Magloire sehr erfreut.
    »Gut«, sagte sie zu Fräulein Baptistine, »zuerst hat Monsignore für die andern gesorgt, jetzt denkt er auch an sich. Für Wohltätigkeit ist genug geschehen. Diese dreitausend Livres bleiben für uns. Endlich!«
    Am selben Abend stellte der Bischof einen neuen Haushaltungskalkül auf und übergab ihn seiner Schwester.
    Kosten der Equipage und Reisespesen:
    für Bouillon dem Spital 1 500 Livres
    für die Gesellschaft zur Pflege der Wöchnerinnen in Aix 250 ”
    für die Gesellschaft zur Pflege der Wöchnerinnen in Draguignan 250 ”
    für Findelkinder 500 ”
    für Waisenkinder 500 ”
    Summa 3 000 Livres
    Das war Myriels Budget.
    Was die Nebeneinkünfte des Episkopats betraf, Aufgebote, Dispensen, Taufgelder, Predigtgebühren, Einweihungen von Kirchen und Kapellen, Hochzeiten usw., so trieb der Bischof sie von den Reichen um so strenger ein, als er sie insgesamt den Armen zuwandte.
    Nach einiger Zeit flossen ihm auch reichliche Hilfsgelder zu. Besitzende und Bedürftige klopften an seine Tür, um milde Gaben zu spenden oder zu empfangen. Binnen Jahresfrist war der Bischof der Schatzmeister der öffentlichen Wohltätigkeit, der Bankier des Elends. Beträchtliche Summen flossen durch seine Hände, aber nichts konnte ihn veranlassen, auch nur im geringsten seine Lebenshaltung zu verändern und dem Notwendigsten Überflüssiges hinzuzufügen.
    Weit entfernt davon! Immer war – da in der menschlichen Gesellschaft mehr Elend als Brüderlichkeit herrscht – alles bereits vergeben, bevor es eingegangen; es war mit dem Gelde wie mit einem Tropfen, der auf einen heißen Stein fällt. Soviel Myriel auch bekam, nie hatte er etwas. Oft beraubte er sich selbst.
    Es ist Sitte, daß die Bischöfe ihre Taufnamen an die Spitze ihrer Sendschreiben und Hirtenbriefe setzen; mit einem Instinkt der Dankbarkeit wählten die armen Leute von Digne unter allen Vornamen ihres Bischofs den, der ihnen am sinnvollsten schien, und nannten ihn Monsignore Bienvenu – Bischof Willkommen. Ihm gefiel diese Benennung.
    »Ich habe diesen Namen gern«, sagte er. »Bienvenu klingt besser als Monsignore.«
    Wir wollen nicht behaupten, daß das Bild, das wir hier entworfen haben, sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich hat; darum müssen wir uns darauf beschränken, zu versichern, daß es wahrheitsgetreu ist.
Ein guter Bischof hat es nicht leicht
    Obwohl der Bischof seine Equipage in Almosen verwandelt hatte, war er oft amtlich auf Reisen. Und die Diözese von Digne ist ein Distrikt, in dem man nicht bequem reist. Es gibt dort wenig Ebene und viel Gebirge, überdies fast keine Straßen, wie schon erwähnt wurde; und dabei umfaßt sie zweiunddreißig Pfarreien, einundvierzigVikariate und zweihundertfünfundachtzig Filialkirchen. Sie alle im Auge zu behalten, ist keine Kleinigkeit. Aber der Bischof brachte es zustande. Er ging zu Fuß, wenn sein Ziel in der näheren Nachbarschaft lag, fuhr in einem Bauernwägelchen, wenn er auf dem flachen Lande zu tun hatte, ritt auf einem Maultier ins Gebirge. Oft begleiteten ihn die beiden Frauen. Wenn die Reise zu anstrengend war, blieb er allein.
    Eines Tages ritt er auf einem Esel in Senez, einer alten Bischofsstadt, ein. Das Geld war besonders knapp, und so hatte er sich kein anderes Transportmittel leisten können. Der Bürgermeister empfing ihn am Tor des Bischofspalais und maß ihn, wie er so von seinem Esel abstieg, mit empörten Blicken. Einige Bürgersleute blieben stehen und lachten.
    »Herr Bürgermeister«, sagte der Bischof, »und Sie, meine Herren Bürger, ich verstehe schon, warum Sie empört sind; Sie finden es unverschämt, daß ein armer Geistlicher sich des Reittiers Jesu Christi bedient. Aber seien Sie versichert, ich tat es aus Not, nicht aus Eitelkeit.«
    Auch auf seinen Amtsreisen war er immer geduldig und nachsichtig, seine Predigten klangen eher wie Plaudereien. Bei den Haaren herbeigezogene Argumente konnte er nicht ausstehen.
    Im Gespräch war er freundlich und heiter. Lachen konnte er wie ein Schuljunge.
    Frau Magloire liebte es, ihn »hoher Herr« anzureden. Eines Tages wollte er ein Buch von einem Regal holen, konnte es aber nicht erreichen, da er von kleiner Statur war. »Frau Magloire«, rief er, »bringen Sie mir einen Stuhl!

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