Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)
Irrtum sein, finde ich. Also: Sie haben mein Haus und ich das Ihre, so wird es sein. Geben Sie mir mein Haus zurück, dieses hier gehört Ihnen.«
Am nächsten Tag wurden die sechsundzwanzig armen Kranken im bischöflichen Palais untergebracht, und der Bischof bezog das Hospital.
Da die Revolution seine Familie ruiniert hatte, besaß Myriel kein Vermögen. Seine Schwester bezog eine Rente von fünfhundert Franken, die, solange sie bei ihrem Bruder wohnte, für ihre persönlichen Ausgaben ausreichten. Myriel empfing vom Staat als Bischof ein Gehalt von fünfzehntausend Franken. An dem Tage, als er das Hospital bezog, setzte er fest, wie diese Summe ein für allemal aufgeteilt werden sollte. Wir geben hier eine von ihm eigenhändig geschriebene Aufstellung wieder.
Ausgaben meines Haushaltes:
für das kleine Seminar 1 500 Livres
für die Missionskongregation 100 ”
für die Lazaristen von Montdidier 100 ”
für das Seminar der auswärtigen Missionen in Paris 200 ”
für die Kongregation des Heiligen Geistes 150 ”
für die Kirchen im Heiligen Lande 100 ”
für die Gesellschaft zur Pflege der Wöchnerinnen 300 ”
für die gleiche Gesellschaft in Arles 50 ”
Hilfswerk für die Verbesserung der Gefängnisse 400 ”
Hilfswerk für entlassene Sträflinge 500 ”
für die Befreiung von Familienvätern aus dem Schuldgefängnis 1 000 ”
Unterstützungsfonds für schlechtbezahlte Schullehrer der Diözese 2 000 ”
für die Getreidespeicher des Departements Hautes Alpes 100 ”
Kongregation zu Digne, Manosque und Sisteron zur Erteilung unentgeltlichen Unterrichts an mittellose Mädchen 1 500 ”
für die Armen 6 000 ”
persönliche Aufwendungen 1 000 ”
Summa 15 000 Livres
Solange Myriel Bischof von Digne war, änderte er nichts an dieser Bestimmung. Das nannte er seinen Haushalt führen.
Fräulein Baptistine unterwarf sich dieser Anordnung vorbehaltlos. Für diese fromme Frau war Myriel zugleich Bruder und Bischof, ein Freund, den die Natur ihr bestimmt hatte, und ein Vorgesetzter, dem die Kirche sie unterstellte. Sie liebte und verehrte ihn. Wenn er sprach, unterwarf sie sich; was er tat, war wohlgetan. Nur die Haushälterin, Frau Magloire, murrte ein wenig. Hatte doch der Bischof, wie der Leser wohl bemerkt hat, nur tausend Livres sich selbst vorbehalten, was – mit Fräulein Baptistines Rente – fünfzehnhundert Franken jährlich ausmachte. Damit sollten die beiden alten Frauen und der Greis ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Und wenn ein Landpfarrer nach Digne kam, fand der Bischof noch Mittel und Wege, ihn zu bewirten, dank der Haushaltungskunst Frau Magloires und der geschickten Wirtschaftsführung Fräulein Baptistines.
Eines Tages, er war damals schon fast drei Monate in Digne, sagte der Bischof:
»Mit dieser Summe bin ich denn doch ein wenig beengt.«
»Das denke ich wohl auch!« rief Frau Magloire. »Monsignore haben ja nicht einmal die Rente in Anspruch genommen, die Ihnen das Departement für die Kosten einer Equipage und Reisespesen schuldet. Früher pflegten die Bischöfe dieses Geld zu beheben.«
»Allerdings«, sagte der Bischof, »Sie haben recht, Frau Magloire.«
Und er forderte seine Rente an.
Der Generalrat prüfte einige Zeit später seine Ansprüche und bewilligte ihm eine jährliche Zuwendung von dreitausend Franken unter dem Titel: Gebühren des Herrn Bischofs für Kosten einer Equipage, Postfahrten und Aufwendungen bei Reisen in der Diözese.
Bei der Bürgerschaft gab es großes Geschrei, und ein Senator des Kaiserreichs, der ehemals Mitglied des Rats der Fünfhundert gewesen war, am 18. Brumaire für Napoléon gestimmt und dafür in der Nähe von Digne ein prächtiges Gut geschenkt bekommen hatte, schrieb dem Kultusminister, Bigot de Préameneu, einen sehr entrüsteten, vertraulichen Brief, dem wir folgendes wörtlich entnehmen:
»Kosten einer Equipage? Wozu eine Equipage in einer Stadt mit viertausend Einwohnern? Reisen in der Diözese? Wozu sollen die dienen? Und seit wann reist man in diesem Gebirgsland mit der Postkutsche? Es gibt ja gar keine befahrbaren Straßen hier! Hier reist man zu Pferd. Sogar die Durancebrücke bei Château-Arnoux trägt kaum ein Ochsenfuhrwerk! Aber so sind diese Geistlichen – habsüchtig und geizig. Der hier hat sich zuerst als Apostel aufgespielt. Jetzt macht er es wie die anderen, braucht eine Equipage und eine Postkutsche! Will Luxus haben wie die Bischöfe von Anno dazumal. Ach, dieses ganze Pfaffenpack! Herr Graf, es wird
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