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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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ihre Wäsche nicht aus, flickte ihr altes Mieder mit Kattunlappen, die sich bei der leisesten Bewegung wieder ablösten. Die Leute, denen sie Geld schuldete, machten ihr Szenen und ließen ihr keine Ruhe. Überall, auf der Straße und auf der Treppe ihres Hauses, lauerten sie ihr auf. Sie hatte fieberglänzende Augen und Schmerzen zwischen den Schultern. Sie hustete stark. Sie haßte Vater Madeleine aus ganzem Herzen, aber sie klagte nicht. Sie mußte siebzehn Stunden täglich nähen, denn ein Unternehmer, der in den Strafanstalten arbeiten ließ, drückte die Preise und senkte dadurch den Lohn der freien Arbeiterin auf neun Sous herab. Neun Sous für siebzehn Stunden Arbeit. Und dabei waren die Gläubiger unerbittlicher als je. Der Möbelhändler, der fast seine ganzen Möbel zurückgenommen hatte, verfolgte sie. Thénardier schrieb, er habe aus allzu großer Güte lange genug gewartet, jetzt aber müsse er den aufgelaufenen Schuldbetrag, hundert Franken, sofort bekommen, sonst werde er Cosette, die noch von ihrer eben überstandenen Krankheit schwach wäre, auf die Straße werfen; möge sie krepieren, wenn sie wolle.
    »Gut«, sagte sie, »Ausverkauf!«
    Und sie wurde Dirne.
Wenn Herr Bamatabois nichts zu tun hat
    In allen Kleinstädten, und so auch in Montreuil sur Mer, gibt es eine Sorte junger Leute, die mit fünfzehnhundert Livres Jahresrente in der Provinz ein Leben führen, wie man es in Paris mit zweihunderttausend bestreitet. Leute, Parasiten, die ein wenig Land, ein großes Stück Dummheit und ein kleines Verstand besitzen, in einem guten Salon für Bauernlümmel gelten würden, im Café aber den Edelmann herauskehren. Sie sprechen von »ihren« Wiesen, »ihren« Wäldern, »ihren« Pächtern, pfeifen Schauspielerinnen aus, um sich als Kunstverständige aufzuspielen, zanken sich mit den Offizieren der Garnison herum, um ihren Mut zu beweisen, jagen, rauchen, gähnen, trinken, schnupfen, spielen Billard, starren aus dem Fenster des Cafés, in dem sie leben, auf die Durchreisendenhinaus, die aus der Postkutsche steigen, speisen im Restaurant, halten sich einen Hund, der unter dem Tisch seinen Knochen frißt, und eine Geliebte, hängen an jedem Sou, kleiden sich übertrieben, verachten die Frauen, kopieren London nach Pariser Kopien und Paris nach Kopien aus Pont-à-Mousson, arbeiten nie, taugen zu nichts und schaden auch nicht sonderlich.
    Wären sie reicher, würde man sie elegante junge Leute nennen. Wären sie ärmer, bloß Nichtstuer. So sind sie ganz einfach Unbeschäftigte. Und unter ihnen gibt es Langweilige, Gelangweilte, Verschlafene und Schufte.
    Acht oder zehn Monate nach den oben erzählten Vorfällen, in den ersten Tagen des Januars 1823, an einem verschneiten Abend, machte sich einer dieser eleganten Leute, ein solcher Unbeschäftigter, ein Vergnügen daraus, eine Person zu belästigen, die in einem tiefausgeschnittenen Ballkleid vor den Fenstern des Cafés der Offiziere auf und ab ging. Er rauchte, denn es war große Mode, zu rauchen.
    Sooft die Frau an ihm vorüberkam, blies er ihr mit einer Rauchwolke aus seiner Zigarre irgendeine Bemerkung zu, die er für geistvoll oder heiter hielt:
    »Bist du aber häßlich!« oder: »Du solltest dich besser verstecken!« oder: »Wo hast du denn deine Zähne vergessen?«
    Dieser Herr hieß Bamatabois.
    Die Frau, eine traurige Erscheinung, die im Schnee auf und ab ging, antwortete nicht, warf nicht einmal einen Blick auf ihn, sondern setzte gelassen und regelmäßig ihre Promenade fort, die sie alle fünf Minuten wie einen Spießrutenläufer an dem sarkastischen Flaneur vorüberführte. Dieser geringe Erfolg verdroß den Müßiggänger, der einen Augenblick, da sie sich umwandte, benützte, um ihr nachzuschleichen, sein Kichern zu unterdrücken, eine Handvoll Schnee vom Boden aufzunehmen und ihr zwischen die nackten Schultern zu stecken. Das Frauenzimmer schrie auf, wandte sich um, stürzte sich auf den Mann, zerkrallte ihm das Gesicht und goß eine Flut gemeiner Schimpfworte auf ihn aus.
    Auf den Lärm kamen Offiziere in Mengen aus dem Café heraus, Passanten blieben stehen, es bildete sich ein vergnügter Kreis, der brüllend und applaudierend die beiden Kämpfenden einschloß. Der Mann wehrte sich nach Kräften, sein Hut war bereits zu Boden gefallen; die Frau stieß mit Händen und Füßen nach ihm, brüllte vor Wut und Haß.
    Plötzlich trat ein hochgewachsener Mann aus dem Kreise, griff das Frauenzimmer an ihrem kotbespritzten Seidenmieder und

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