Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
Vom Netzwerk:
Čapek
    Die unsterbliche Katze
    Am Anfang dieser Geschichte von einer Katze steht – mit der Inkonsequenz, die für die Wirklichkeit bezeichnend ist –, ein Kater und zwar ein geschenkter.
    Jedes Geschenk hat etwas Übernatürliches. Jedes ist gleichsam aus einer anderen Welt, fällt vom Himmel, dringt ohne Rücksicht mit dem Elan eines Meteoriten auf uns und in unser Leben ein. Besonders dann, wenn es sich um einen geschenkten Kater mit blauem Bändchen handelt.
    So wurde er denn auf den Namen Philipp getauft. Infolge seiner unterschiedlichen moralischen Qualitäten nannten wir ihn dann auch Kujon oder Lumpi. Er war ein Angorakater, aber zausig und rostfarben wie irgendeine Miez aus unseren Landen.
    Eines Tages fiel Philipp – im Zuge einer Expedition – vom Balkon einer Frauenperson auf den Kopf. Diese fühlte sich dadurch teils gekratzt, teils tief beleidigt und erhob gegen meinen Kater Anklage. Er sei ein gefährliches Tier, das vom Balkon ahnungslose Passanten auf den Kopf springt. Ich konnte zwar die Unschuld meines seraphischen Tierchens beweisen, doch drei Tage später tat es seinen letzten Atemzug. Arsen und menschliche Bosheit hatten es dahingerafft.
    Als ich eben mit seltsam verschleierten Augen beobachtete, wie seine Glieder sich in letzten Zuckungen streckten, vernahm ich von der Eingangstüre her ein klägliches Miauen. Dort stand zitternd ein verirrtes, schmutziges Kätzchen, das abgemagert war wie ein Fakir und dreinsah wie ein verlorenes Kind. Nun, komm her, Miez! Vielleicht ist es ein Fingerzeig Gottes, der Wille des Geschickes, ein geheimnisvoller Wink oder wie man es sonst nennen mag, wenn man guten Willens und traurig ist. Am ehesten meine ich, daß mein Katerchen Philipp in der Sekunde seines Hinscheidens Ersatz geschickt hat.
    Das war also das Entrée der Katze, die wegen ihrer Bescheidenheit den Namen ›Daisy‹ – Gänseblümchen – erhielt. Wie Sie merken, kam sie aus dem Unbekannten, aber ich lege Zeugnis dafür ab, daß sie sich auf ihren geheimnisvollen oder gar übernatürlichen Ursprung nichts zugute tat. Im Gegenteil! Sie benahm sich wie jede sterbliche Katze. Sie trank Milch, stahl Fleisch, schlief auf meinem Schoß und trieb sich nächtens herum.
    Als ihre Zeit kam, warf sie fünf Junge. Eines war rotbraun, eines schwarz, das dritte dreifarbig, das vierte dunkelgrau und das letzte gar ein Angora.
    Aha, da haben wir es!
    Ich begann, alle Bekannten zu stellen: »Hören Sie«, sagte ich großartig, »ich habe für Sie ein phantastisches Kätzchen!« Einige von ihnen wanden sich heraus – wahrscheinlich aus übermäßiger Bescheidenheit –, sie möchten wohl, können aber leider nicht und was dergleichen Ausreden mehr sind. Andere wieder waren so verblüfft, daß sie kein Wort herausbrachten, worauf ich ihnen schnell die Hand drückte und erklärte, die Sache sei demnach abgemacht. Das Katzenjunge würde ich ihnen beizeiten zustellen lassen. Und schon jagte ich dem nächsten zukünftigen Katzenbesitzer nach.
    Es gibt wohl nichts Schöneres als so eine Katzenmutterschaft. Man sollte sich eine Katze schon wegen ihrer Jungen anschaffen. Sechs Wochen später allerdings ließ Daisy ihre Kätzchen sein und wollte den heiseren Bariton des Katers von Nachbars Villa aus nächster Nähe genießen.
    Nach dreiundfünfzig Tagen entledigte sie sich junger Katzen, sechs an der Zahl. Nach Jahr und Tag waren es insgesamt siebzehn. Ich glaube, daß der Mann, der den Ausdruck ›fruchtbar wie ein Kaninchen‹ prägte, meine Daisy nicht gekannt haben kann.
    Immer hatte ich gedacht, der Teufel hol’s, ich hätte weiß Gott wie viele Bekannte. Doch seit der Zeit, da sich Daisy mit der Katzenfabrikation befaßt, erkenne ich, daß ich im Leben allein stehe. Daß ich zum Beispiel niemanden habe, dem ich das sechsundzwanzigste Junge anbieten könnte.
    Wenn ich mich jemandem vorstelle, murmele ich meinen Namen und dann: »Möchten Sie vielleicht ein Kätzchen?«
    »Was für ein Kätzchen?« fragen die Leute erstaunt. »Das weiß ich noch nicht«, antwortete ich, »ich weiß nur, daß ich demnächst wieder welche bekomme.«
    Bald hatte ich den Eindruck, daß mich die Leute meiden. Vielleicht war der Neid die Ursache, weil ich so viel Glück mit Katzenjungen hatte.
    Nach Brehm haben Katzen zweimal im Jahr Junge. Daisy kam hohnlächelnd drei- bis viermal jährlich nieder und das ohne Rücksicht auf die Jahreszeit. Sie war eben eine übernatürliche Katze. Offenbar war ihr die Bestimmung auferlegt, den

Weitere Kostenlose Bücher