Lesebuch für Katzenfreunde
glücklich in der Sonne gewälzt und den Vögeln nachgeschaut hast. »Na, Klara«, habe ich gesagt, »nun gefällt es dir ja doch.« Du hast Dich umgedreht und bist böse ins Haus gegangen. Auch Mutter haßte es, wenn man sie dabei ertappte, daß ihr doch einmal etwas Freude machte.
Es ist nicht einfach, mit Dir zu leben, liebe Klara. Warum zum Beispiel legst Du Dich nur dann quer über meinen Schreibtisch, wenn Du klatschnaß aus dem Regen kommst? Ich habe immer das Gefühl, daß Du damit Deine Mißachtung für meine Arbeit ausdrücken willst. Oder ist das Deine verkorkste Art, doch eine Art Zuneigung zu zeigen? Einmal bin ich in Tränen ausgebrochen, weil Du mir ein so wichtiges Manuskript ruiniert hast – da bist Du auf meinen Schoß gesprungen, hast mich gekratzt und gesagt: »Mein Gott, bist du empfindlich, so war es doch nicht gemeint.« Wie Mutter. Als ich ein Kind war, habe ich ihr manchmal Briefchen, kleine Gedichte, Geschichten geschrieben. Sie sah sie an, nickte kurz, und dann ritschratsch weg damit – so machst Du es, wenn ich Dir ein Spielzeug mitbringe oder einen Wollball bastele: ein Blick, ein Tupfen mit der Pfote, und dann ein Hieb, daß das Ding in die hinterste Ecke fliegt, nie mehr beachtet wird: Schnickschnack. Brauchen wir nicht. Sentimentalitäten. Dummes Zeug.
Liebe Klara, und wie Du Dich aufgespielt hast, als Rosa zu uns kam! Rosa, die so still und bescheiden ist, die sich nie auf Deine Plätze legt, die nie von Deinem Teller frißt, die einen weiten Bogen um Dich macht und froh ist, daß sie bei uns wohnen kann – und Du? Du fauchst sie an, wenn sie heimkommt, Du legst Dich auf ihren Platz, Du vertreibst sie vom Sessel, wenn sie tief schläft, erschrickst sie zu Tode und hast Deinen Spaß daran. Du bist launisch, neidisch, unberechenbar. Man weiß nie, ob Du zu einer zärtlichen Geste oder zu einer gezielten Ohrfeige ausholst. Du bist kleinlich, leicht und ausdauernd beleidigt, und ich sehe Dich oft an, wie ich Mutter früher angesehen habe, wenn sie mich stundenlang nicht beachtete, und denke: »Ob sie mich überhaupt mag?«
Ich würde Rosa gern grüßen lassen, aber Du richtest es ja doch nicht aus. Rosa zu schreiben hat keinen Zweck, sie kann ja nicht lesen, sie zerträumt den Tag im Garten, während Du schon längst auf dem Briefkasten sitzt und nachschaust, wer geschrieben hat. Einmal habe ich Dich vor meinem Tagebuch sitzen sehen. Mutter hat auch immer in meinen Tagebüchern gelesen, und Du hast mich mit ihrem klaren kühlen Blick angeschaut, als ich ins Zimmer kam: »Du findest dich wohl sehr sehr wichtig, was?«
Ich habe hier eine schmale graue Katze kennengelernt, die niemandem gehört. Ich nenne sie Lina und stelle ihr zu essen hin, aber anfassen darf ich sie nicht. Am Nachmittag liegen wir zusammen auf der Terrasse, ich im Liegestuhl und Lina auf den warmen Fliesen, und dann schauen wir aufs Meer hinaus, und ich erzähle von Dir. Solche Katzen wie Dich kennt sie nicht – so selbstbewußt, so streng, so wichtig. Sie ist es nicht gewöhnt, daß der Tisch immer gedeckt ist. Hier sind die Winter hart, die Steinwürfe nach streunenden Katzen zahlreich, hier schleicht man sich rasch und lautlos an den Küchen vorbei. Du schleichst nie. Du bist als Königinmutter geboren, Du hast den Gang, der alle strammstehen läßt, Königin Klara die Erste, danach kommt lange nichts, dann ich – als Dienstmädchen.
Einmal, als ich wirklich krank war, bist Du Tag und Nacht nicht von meinem Bett gewichen. Ich träumte von früher, und daß Mutter mir einmal besorgt die Hand auf die heiße Stirn gelegt hat, aber als ich danach greifen wollte, zog sie sie zurück. Und Du, Klara, hast plötzlich mit Deiner rauhen Zunge meine Hand geleckt, und dabei hast Du geschnurrt. Ich habe fest die Augen zugekniffen und so getan, als merkte ich nichts. Du erträgst es ja nicht, daß man Dich bei Deiner Zuneigung erwischt. Das kenn’ ich schon, Klara, damit kann ich leben.
Du, die Du mir die Liebste bist.
Ich bringe Dir ein sehr schönes geflochtenes Körbchen mit. Du wirst es verstimmt ansehen und Dich nur hineinlegen, wenn ich nicht da bin. Ich werde es merken an den schwarz-weißen Haaren auf dem Kissen – unsere Rosa ist rot. Du wirst das Körbchen jedoch niemals auch nur beachten, wenn ich im Zimmer bin. Es ist gut so.
Liebe Klara, es geht mir gut. Die Sonne scheint, das Meer rauscht, ich esse exotische Früchte. Ab heute noch eine Woche, dann bin ich zurück.
Du fehlst mir so sehr.
Karel
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