Lesebuch für Katzenfreunde
Zigarette. Ist schon gut.
Was ist denn? Zehn Uhr? Ich glaube, du brauchst heute keine Knöllchen.
Ja, gleich. Warte. Ich komme. Ich möchte nur noch – ich komme.
Hier, hepp. Fang! Das war ein toller Sprung. Hepp. Achtung! Sehr gut. Mehr gibt es nicht. Schluß für heute.
Also gut. Noch zwei. Hier, fang! Hepp. Wunderbar.
Du kannst ja auf den Bauch. So. Moment, ich muß nur das Buch…
Sei doch nicht beleidigt, du kannst hier sitzen, aber du mußt mir schon gestatten, daß ich dabei lese.
Nein. Runter vom Kopfkissen. Runter!
Du brauchst dich gar nicht so steif zu machen. Runter, hab ich gesagt. Und dein Fauchen imponiert mir überhaupt nicht.
Das ist mein Bett. Und vor allem ist das mein Kopfkissen.
Hör auf mit diesem blöden Fauchen. Ich muß doch meine Füße ausstrecken.
Die Tür ist auf. Hör auf zu kratzen.
Bitte komm her. Du kannst am Fußende liegen.
Mach doch, was du willst. Ich möchte schlafen!
Es ist zu früh. Es ist sechs Uhr. Ich möchte noch ein bißchen – ja. Ich steh schon auf, hör auf zu jammern, ich komme. Hör auf zu kratzen, verdammt noch mal.
Bitte, laß mich meinen Tee…
Elke Heidenreich
Liebe Klara
Sainte Luce, 10. September 1989
Liebe Klara,
so weit und so lange waren wir noch nie getrennt, und noch weiß ich nicht, ob Du mir fehlst. Es ist gar nicht schlecht, sich nachts im Bett in alle Richtungen strecken zu können – wenn Du auf der Decke liegst, kriege ich dafür stets ein so böses Knurren und ein so giftiges Fauchen, daß ich mich schon längst nicht mehr traue, bequem zu liegen. Es ist auch angenehm, beim Frühstück Zeitung lesen zu können – Du hast ja so eine Art, Dich immer gerade auf das Blatt zu legen, das ich lesen will, und daß nicht alles, was ich auf meinem Teller habe, mit dieser Mischung aus Neid und Mißfallen angeglotzt wird, das genieße ich auch.
Ich will damit nicht etwa sagen, daß ich froh wäre, Dich für eine Weile los zu sein, liebe Klara. Aber in letzter Zeit hast Du mich zunehmend an Mutter erinnert, und das ist nicht erfreulich, weißt Du. Als ich Dich damals nach ihr nannte: Klara – da habe ich mir nicht viel dabei gedacht. Deinen richtigen Namen hast Du mir ja leider nie verraten, als Du in mein Leben tratest – schon bejahrt, schon ziemlich dick, und nach Deinem Zahnstein und Deiner etwas langweiligen Art zu schließen, nach einem Leben mit Trockenfutter und Sofakissen. Fünf Tage lang saß ich vor Dir und sagte alle Katzennamen auf, die nur denkbar sind – Mizzi? Maunz? Pussi? Bella? – und Du hast mich stumm und streng angeschaut und gedacht: »An was für eine Wahnsinnige bin ich denn jetzt geraten.« Reagiert hast Du nur, als ich entnervt schrie: »Ja, heißest du denn vielleicht Rumpelstilzchen?« Da hattest Du auf einmal diese aufgerissenen Augen, wie Mutter, wenn ich als Kind mal in Zorn geriet, kühl: »Wir wollen es nun doch aber nicht übertreiben.« So habe ich Dich Klara genannt, nach ihr.
Daß Du ihr nun immer ähnlicher wirst, ist eine Deiner Tücken.
Ich meine nicht nur Deine Figur – weiß der Himmel, warum Du immer runder wirst! Ich stelle Dir Teller mit gesunder Kost in ausgetüftelten Mengen hin, aber in der Nähe muß eine Rentnerin wohnen, die Dir täglich Heilbutt in Butter dünstet – Du kommst ja oft genug satt und mit hochmütigem Gesicht nach Hause: »Woanders wird man noch geschätzt…«
Du hast Dir auch diese Art zugelegt, alles zu kritisieren, was ich mache. Öffne ich ein Fenster, mußt Du das Zimmer mit erhobenem Schwanz verlassen, weil es angeblich zieht. Hole ich den Staubsauger, fliehst Du aus dem Haus mit dem Satz: » Kann man denn nirgends etwas Ruhe haben?« Lege ich mich in die Badewanne, so hockst Du Dich auf den Rand, starrst angewidert ins Wasser und denkst: »So eine Afferei.« Ich kann Dir nichts recht machen. Mutter tut heute noch so, als hätte ich ihr emanzipiertes Frauenleben zerstört durch meine bloße Existenz. Und Du tust so, als seist Du bei mir von verlorenen Paradiesen in eine Hölle gekommen oder sagen wir: in unzumutbare Wildnis. Du verzeihst es mir nicht, daß ich einen Garten habe und daß Du deine Würstchen jetzt da legen mußt und nicht mehr in eine Kiste mit weißem Sand, wie Du es wohl gewöhnt warst. Ich sehe Dich durch das nasse Gras staksen, zimperlich, die Pfoten hochziehend, damit es ja nicht piekt, und Du legst die Ohren an und wirfst mir vor, daß das Leben gefährlich für Dich geworden ist mit soviel Natur. Einmal habe ich gesehen, wie Du Dich
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