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Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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hab’s dir nicht gesagt…«, die Kehle wurde auf einmal so trocken, als sei sie im Begriff, ein peinliches Geständnis zu machen. »Das Ding – das Ding aus dem Vogelhaus, das habe ich wiedergesehen am Montag, oben im Schlafzimmer. Und ich glaube, jetzt eben auch. Gerade eben.«
    »Aber Liebling, im Vogelhaus war doch gar nichts.«
    »Ja – als du nachgesehen hast, da nicht. Aber das Tier rennt ganz schnell – beinahe, als ob es flöge.«
    Charles’ Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an. Er sah hinüber auf die Schwelle, auf der auch Ediths Blick lag. »Und jetzt eben hast du es auch gesehen? Ich werde mal nachschauen.« Er trat ins Eßzimmer. Suchend sah er sich auf dem Fußboden um, warf einen Blick auf seine Frau, bückte sich dann nachlässig und schaute unter den Tisch und zwischen die Stuhlbeine. »Also wirklich, Edith…«
    »Schau doch noch mal ins Wohnzimmer«, sagte sie.
    Charles suchte im Wohnzimmer, etwa fünfzehn Sekunden lang, dann kam er zurück und lächelte. »Tut mir leid, Kindchen, aber ich glaube, du bildest dir das ein. Außer wenn es eine Maus war, natürlich. Vielleicht haben wir Mäuse…? Ich will’s ja nicht hoffen.«
    »Ach, es ist viel größer und außerdem braun. Mäuse sind grau.«
    »Ja«, sagte Charles obenhin. »Aber nun laß nur, mein Herz – du brauchst keine Angst zu haben, es wird dir nichts tun. Es läuft ja weg.« Und mit einer Stimme, die nicht sehr überzeugend klang, fügte er hinzu: »Wenn nötig, rufen wir den Kammerjäger.«
    »O ja«, stimmte sie sofort zu.
    »Wie groß war es denn?«
    Sie hielt die Hände etwa sechs Zentimeter auseinander. »So groß.«
    »Könnte ein Wiesel sein«, meinte er.
    »Es ist noch flinker als ein Wiesel. Und es hat schwarze Augen. Eben – da blieb es einen Augenblick stehen und sah mir direkt ins Gesicht. Ganz bestimmt, Charles.« Ihre Stimme kippte fast über. Sie zeigte auf die Stelle neben dem Kühlschrank. »Genau da blieb es eine Viertelsekunde stehen und…«
    »Komm, komm, Edith.« Er drückte ihr den Arm.
    »Es sieht so böse aus, so – ich kann’s gar nicht sagen.«
    Charles sagte nichts, er sah sie nur an.
    »Gibt es ein Tier, das Yuma heißt?« fragte sie.
    »Yuma? Nie gehört. Warum?«
    »Weil mir das heute auf einmal einfiel. Nur so. Ich dachte – weil mir das Tier immer im Kopf rumging, und weil ich noch nie so eins gesehen habe, wäre es möglich, daß ich den Namen irgendwo gelesen habe.«
    »Yuma? Y-u-m-a?«
    Sie nickte.
    Charles lächelte. Die Sache schien sich zu einem lustigen Spiel zu wandeln. Er trat an das Bücherregal mit dem Lexikon und suchte das Wort, wie Edith es getan hatte. Er schlug den Band zu und nahm die Encyclopedia Britannica im untersten Fach heraus. Nach einer Minute sagte er: »Weder im Lexikon noch in der Britannica. Ich glaube, das Wort hast du dir ausgedacht.« Er lachte. »Oder vielleicht ist es ein Wort aus Alice im Wunderland.«
    Nein, es ist ein richtiges Wort, dachte Edith, aber sie hatte nicht mehr den Mut es zu sagen. Charles würde ihr doch nicht glauben.
    Edith war erschöpft und ging gegen zehn Uhr mit einem Buch zu Bett. Sie las noch, als Charles kurz vor elf ebenfalls hereinkam. In diesem Augenblick sahen sie es beide: es flitzte vom Fußende des Bettes, deutlich sichtbar, quer über den Teppich, verschwand unter der Kommode und dann, wie Edith meinte, zur Tür hinaus. Auch Charles mußte das geglaubt haben, denn er wandte sich schnell um und blickte ins Treppenhaus.
    »Du hast es gesehen!« stellte sie fest.
    Mit ausdruckslosem Gesicht machte Charles Licht auf dem Treppenflur, sah sich suchend um und ging dann hinunter. Er blieb etwa drei Minuten unten, und Edith hörte, wie er mehrere Möbel wegrückte. Dann kam er zurück.
    »Ja, ich hab’s auch gesehen.« Er sah auf einmal blaß und müde aus. Edith seufzte und lächelte kaum merklich, sie war erleichtert, daß er ihr endlich glaubte.
    »Siehst du, jetzt weißt du, was ich meinte. Ich hab’s mir nicht eingebildet.«
    »Nein«, stimmte er zu.
    Edith saß aufrecht im Bett. »Das Schreckliche ist, es sieht so – so unfangbar aus, weißt du.«
    Charles begann sein Hemd aufzuknöpfen. »Unfangbar – was für ein Wort, Kindchen. Nichts ist unfangbar. Vielleicht ist es doch ein Wiesel. Oder ein Eichhorn.«
    »Konntest du es denn nicht erkennen? Es ist doch genau an dir vorbeigelaufen.«
    »Na ja, aber…« Er lachte. »Es rannte ja ziemlich schnell. Du hast es doch schon zwei- oder dreimal gesehen und auch nicht

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