Lesereise Mallorca
Licht, ihre Luft, ihren Duft, die Küche, den Menschenschlag. Sie kamen immer wieder – wie Peter Ustinov, der so oft da war und immer dasselbe Zimmer mit Meerblick ganz am Ende des langen Hotelkorridors buchte, dass er viele Mitarbeiter seines Ferienhotels über die Jahre gut kennengelernt hatte und mit Namen ansprach. Die Freude war gegenseitig, wenn er wieder eincheckte, erinnert sich Tomeu Palou vom Hotel Formentor: »Er war sehr beliebt bei uns Mitarbeitern, immer freundlich. Und oft sehr lustig.«
Landläufig gilt die Ansicht, dass erst Michael Douglas Mallorca für den internationalen Film-Jetset entdeckt hat. Dabei ist er nur der Erste, der seine Leidenschaft öffentlich machte, sich sogar in Werbekampagnen für die Insel einspannen ließ und bis heute für Naturschutz und die Ausrufung des Tramuntana-Gebirges entlang der Westküste der Insel zum UNESCO -Welterbe engagiert. Seit den neunziger Jahren hat Douglas ein Haus auf der Insel, das Gut S’Estaca bei Valldemossa. Mit seiner jetzigen Frau, der Hollywood-Schauspielerin Catherine Zeta-Jones, ist er häufig dort – wenn nicht gerade Exfrau Diandra dort weilt, mit der er sich die Nutzung des Hauses teilt. Manchmal bringt er Freunde aus Amerika mit – Goldie Hawn und Jack Nicholson zum Beispiel.
Im Hotel Formentor am nördlichsten Punkt der Insel ist er auch schon gesehen worden – nicht als Übernachtungsgast zwar, aber zum Essen in einem der Restaurants. Jahrzehntelang galt es auf Mallorca als die erste Adresse für die internationale Prominenz – gerade für die von der Leinwand. Der langjährige Besitzer Miguel Buadas liebte das Kino sogar so sehr, dass er im Untergeschoss des lang gestreckten Hotelgebäudes ein eigenes Filmtheater mit hundertsiebenundzwanzig Plätzen einbaute. Manche der Sitzbezüge sind heute ein wenig abgesessen, aber der Saal im Keller hat dennoch den Charme eines Privattheaters aus den Glanzzeiten des Kinos bewahrt.
»Neueste Filmrollen ließ Señor Buadas noch vor der offiziellen Premiere per Taxi aus Palma kommen. Wenn dort am Samstag Premiere war, lief der Film bei uns am Freitagabend«, erinnert sich Toni Cifre, der seit gut dreißig Jahren hier arbeitet und dessen Vater fast ein halbes Jahrhundert im selben Hotel an der Bar beschäftigt war: »Voll besetzt war das Kino fast nie.« Weil die, die mitgespielt hatten, den Film ja schon kannten.
Und mehr noch, weil die Gäste lieber draußen in der Sonne saßen, am Pool oder unten am Strand: Sie schauten einander lieber beim Leben zu, anstatt eine fiktive Geschichte in einem abgedunkelten Saal zu verfolgen. So waren sie Zeuge, wenn Stammgast Peter Ustinov seine Späße machte – etwa, wenn er mit Schalk im Nacken Hupgeräusche täuschend echt imitierte, sobald er in seinen letzten Jahren mit Gehwagen oder im Rollstuhl um die Ecke bog. Sie sahen zu, wenn Sean Connery durchs Meer kraulte und wieder an Land ging. Und manche waren wenigstens zeitweilig Zeugen von John Waynes Trinkgelagen an der Hotelbar von Toni Cifres Vater Pedro. Der musste mal bis morgens um halb sieben aufbleiben, obwohl normalerweise nachts um eins Feierabend war: weil John Wayne bester Plauderlaune war und einen Whiskey nach dem anderen orderte.
Der Westernheld war auf Urlaub – ein anderer war zum Arbeiten gekommen: Anthony Quinn drehte an der Playa el Mago zwischen Magaluf und Santa Ponça ein paar Einstellungen für »Teuflische Spiele«, im Original »The Magus«, einen Film, der nicht weiter im Gedächtnis blieb. An der Kulisse kann es nicht gelegen haben. Sie hat noch heute ihren Zauber und liegt weit abseits der touristischen Rennstrecken – und doch in der Nachbarschaft von Ferienhochburgen. Eine lang gewundene Pflasterstraße durch einen Pinienwald führt dorthin, und Hinweisschilder gibt es fast keine. An einem sandigen Wendehammer oberhalb der Küste endet sie. Nur ein paar Autos parken dort meist, und unten in der Bucht haben diesen Vormittag drei Jachten Anker geworfen. Eine Beachbar gibt es, dazu Kellner Antonio, der zu jung ist, um sich an Señor Quinn aus Kalifornien zu erinnern. Der schmale Strand gehört inzwischen ausnahmsweise überwiegend Nudisten, die hier ziemlich unter sich sind, das türkisfarbene Meer den Jachten und ein paar Seekajaks.
Es ist dort meistens so still wie während des Drehs vor über vier Jahrzehnten. Das Szenario scheint außerhalb der Zeiten zu existieren – und das auf einer Insel, die ihr Gesicht rasant gewandelt hat, seit mit Flynn, Gardner, Hayworth und
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