Lesereise Mallorca
Umbrella? Schirm?« Und nach einer Pause: »Fünf Euro, five Euros!«
Sie leben von der Überraschung und vom schlechten Wetter – davon, dass die Leute in T-Shirts und kurzen Hosen im Urlaubshotel losgefahren sind und nicht ahnten, dass es bald darauf in der Inselhauptstadt einen Schauer geben würde. Blitzschnell sind sie von Urlaubern umringt, denen die fünf Euro für den filigranen Billigschirm fair erscheinen, um nicht völlig durchnässt zum Shopping-Städtebummel oder Museumsbesuch zu starten.
Je schneller es am Horizont wieder heller wird, desto rasanter fällt der Preis der restlichen Regenschützer. Plötzlich soll jeder Schirm nur noch vier Euro kosten. Dreißig Meter weiter Richtung Innenstadt ruft der Verkäufer bereits drei Euro aus, weil ein erster Sonnenstrahl herauskam – und ist offen für ein Gegengebot: »Zwei«, sagt ein nassgeregneter Tourist. »Zwei Euro für jeden, wenn du zwei Schirme nimmst«, antwortet der Asiate. »Zwei fünfzig für einen«, erwiderter der nasse Mann. »Wenn du feilscht, bis der Schauer vorbei ist, nützt uns das Ding auch nichts mehr«, wirft dessen offenbar lebenserfahrene Frau ein. Und so macht der Asiate das Geschäft für drei Euro.
Gleich darauf verlässt er mal kurz seinen Pflasterquadranten, weil ein weißer Kastenwagen vorfährt, ein anderer Asiate noch im Rollen von innen die Laderaumtür aufgeschoben hat und eilends zwanzig Schirme Nachschub rausreicht. Warum er nicht gleich einen ganzen Karton in Reserve beim Kollegen lässt? »Zu viel«, ruft er. »Wenn Leute sehen, dass noch viele Schirme da sind, kaufen sie nicht. Wenn Leute denken, ein anderer könnte den letzten nehmen, geht das Geschäft schneller.« Das klingt schlüssig.
Ob die Schirmherren aus Asien und Afrika traurig sind, wenn die Sonne über Mallorca scheint? Womöglich wochenlang? Wo sie auf den Regen warten? Wie sie es schaffen, plötzlich in perfekter Choreografie und mit Idealabstand zueinander bei den ersten Tropfen an den wichtigsten Touristendrehkreuzen von Palma mit ihren Schirmen bereit zu stehen? So viele Fragen. Und keine Antworten. Nur eine mag der freundliche Mann mit den Karoschirmen für drei Euro beantworten: Wo er denn so plötzlich hergekommen sei? »Aus Laos«, sagt er und hängt sich eilig noch ein paar Schirme über den Arm. Wahrscheinlich stimmt das sogar.
Wo Errol Flynn fechten lehrte
Kinoreif: auf den Spuren der Hollywood-Legenden von einst
Er hat den Mann noch immer genau vor sich, von dem er damals das Fechten gelernt hat. Diese Statur, das markante Kinn, den dünnen Schnurrbart. Und seine Augen leuchten, wenn er von Hollywoods führendem Filmpiraten jener Zeit erzählt, als ob es gestern gewesen wäre: von Errol Flynn, der dem achtjährigen Martin Xamena Mitte der fünfziger Jahre auf der Terrasse des elterlichen Hotel Bonsol in Illetas vor den Toren von Palma de Mallorca gezeigt hat, wie man mit dem Holzschwert wie ein echter Freibeuter kämpft: »Er brachte es meinem Bruder und mir bei, war natürlich unser Idol und wurde ein enger Freund der Familie.« Einer, der bald ein Haus in der Nachbarschaft nur ein paar Straßen weiter kaufte, es für eine kurze Zeit bewohnte, eines der Küchenmädchen des Hotels als Haushälterin abwarb und bald darauf auf sein Segelboot umzog, das im Hafen von Palma lag.
Der Hollywood-Star, der aus Tasmanien stammte, war pressescheu und gab sein einziges Interview auf Mallorca seinerzeit auf jener Hotelterrasse, wo er den Kindern gezeigt hatte, wie man ficht. »Er wollte uns damit helfen«, erinnert sich Martin Xamena, der das Hotel längst von seinen Eltern übernommen und die Leitung seinerseits bereits in die Hände der Kinder weitergereicht hat: »Flynn wollte selber nicht in die Schlagzeilen – aber er tat es aus Freundschaft, damit wir mit dem kleinen Hotel einen Moment lang hineinkamen, auffielen und von seinem Glanz etwas haben konnten.«
Bereits in den fünfziger und sechziger Jahren zog Mallorca die Hollywood-Stars an – ganz privat ein paar Urlaube lang ebenso wie für Dreharbeiten. Gary Cooper und Rita Hayworth kamen, Anthony Quinn und John Wayne, Audrey Hepburn und Grace Kelly, später auch Lauren Bacall. Es ist eine fast vergessene Facette der Inselgeschichte, doch für sie alle war das Balearen-Eiland ein Fluchtpunkt weit weg von zu Hause, ein sonniges Hideaway fernab der heimischen Klatschreportermeute. Manche hatten einen noch besseren Grund, herzureisen: Sie haben diese Insel geliebt – ihre Landschaft, ihr
Weitere Kostenlose Bücher