Lesereise Mallorca
als Bleibe – und manche kaufen gegenüber bei Templeton ein Bild: »Meine Schauspielkarriere beschränkt sich auf einen Auftritt als Komparse an der Seite von Peter Ustinov und James Mason in ›Evil Under the Sun‹ vor über dreißig Jahren. Ich musste mir den Kopf kahl rasieren, sollte vor der Kamera einen Soldaten spielen, mit einem Streichholz eine Kanone zünden und ein paar Worte brummeln, sobald Regisseur Guy Hamilton ›Action!‹ rief.« Er lacht wieder: »Viermal brach die Kulissenkanone zusammen, beim fünften Mal klappte es. Später haben sie die halbe Szene weggeschnitten, und im Kino ist nur meine Hand mit dem Streichholz zu sehen.« Gedreht wurde gleich um die Ecke zwischen Deià und Valldemossa. Und was James Mason über Mallorca gesagt hat? Dass er wiederkommen wolle. Ganz privat, wie damals John Wayne. Und ob Templeton verpassten Chancen bei der Schauspielerei hinterhertrauere? »Gar nicht«, sagt er. Er malt lieber, fertigt Collagen, bekommt zwischen dreieinhalb- und zehntausend Euro dafür, hat auch so einen Fuß in der Filmwelt. Und am besten: Er kommt nicht auf Besuch nach Deià, nicht für einen Dreh oder ein paar Urlaubstage. Er lebt dort. Und er sieht die Schauspieler an sich vorbeireisen. Heute wie damals.
Ihre Zunft ist derweil so vielschichtig strukturiert wie die gesamte Gesellschaft, was die Ferienvorlieben angeht. Es gibt auch welche, die Hotels meiden, Ferienhäuser mieten oder privat bei Freunden absteigen und deshalb kaum gesehen werden, gar nicht in den Klatschspalten auftauchen – und doch häufig nach Mallorca reisen. John Malkovich ist so ein Beispiel. Er schlägt sein Quartier bevorzugt im Haus des mallorquinischen Regisseurs Antoni Aloy auf.
Lebte unterdessen Ava Gardner noch, sie würde das Hotel Maricel am Stadtrand von Palma nicht wiederkennen. Es hat sich seit ihrem letzten Besuch gründlich verändert, war sogar für anderthalb Jahrzehnte geschlossen und stand so lange ungenutzt leer. Heute ist daraus ein durchgestyltes Schloss am Meer mit neunundzwanzig Zimmern im Haupthaus geworden, bei dem nur die Außenmauern aufeinander geblieben sind. Inzwischen kommen neue Stars – zuletzt Adam Sandler und Chris Rock. Sie wissen nicht, dass Flynn hier mal gewohnt hat, als es das Bonsol noch nicht gab. Sie ahnen nicht, dass sich ehemalige Hotelmitarbeiter noch an Mrs. Gardners Anrufe vom Rezeptionstresen aus in seinem Zimmer erinnern – und dass er ihrem Wunsch, doch herunterzukommen, nicht nachgab, stattdessen einfach im Bett blieb und fortan das Telefon gar nicht mehr abnahm. Er hatte zuvor die Direktive ausgegeben, nicht gestört werden zu wollen – egal, wer nach ihm verlangte. Flynn bewies, das Hollywood-Piraten standfest zu ihren Entscheidungen stehen – so schön es auch gewesen wäre, sich wieder anzuziehen und gemeinsam einen Drink auf der säulengetragenen Veranda zu nehmen. Was man hier heute drehen könnte? Auf dieser Terrasse und auf Mallorca? Direktorin Mar Soler weiß es genau: »Alles, was mit einer guten Zeit zu tun hat.«
Vom Aufsteigen und vom Eintauchen
Vom Mann, der die Sonne in Mallorcas äußerstem Osten als Erster aufgehen sieht – und von dem, der sie im Westen als Letzter untergehen sieht
Sie kennen einander nicht: nie gesehen, kein einziges Mal über den Weg gelaufen. Sie wohnen zu weit auseinander, führen Leben voller Gegensätze. Der eine ist durchtrainiert, ein Schrank mit schulterlangen blonden Haaren, ein Sunnyboy von Mitte vierzig. Der andere ist grauhaarig, hager, ein bisschen vergeistigt, trägt einen grauen Pullover über dem Karohemd, dazu eine dünne Strickjacke – Typ Philosophielehrer. Anfang sechzig ist er. Zwischen den beiden liegt alles, was auf Mallorca an einem Tag geschehen kann: von Ferienflirt bis Feierabendbier, von Urlaubsliebe bis Ehekrach, von träumen bis fluchen. Von Ankunft bis Abreise.
Denn der eine ist der Mann, der die Sonne jeden Morgen als Erster im äußersten Inselosten vor Cala Ratjada aus dem Meer aufsteigen sieht. Die anderen Fischer spotten manchmal ein bisschen über ihn, weil er diese Uhrzeit liebt und immer als Erster noch knapp bei Dunkelheit ablegt. Er hat seine Gründe: »Weil der Sonnenaufgang totaler Friede ist und in großer Stille geschieht. Es ist in großartiges Gefühl, ihn hier jeden Tag aufs Neue zu erleben«, sagt Joan Fuster und fährt sich ein wenig verlegen durch den blonden Viertagebart.
Der andere war bis vor kurzem der Leuchtturmwärter von Puerto Andratx im äußersten
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