Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados
man sich, dass die meisten Kommandeure der sieben deutschen Divisionen zu Planspielen nach Rennes gereist waren. Generalfeldmarschall Rommel, der Chef des gesamten Abschnitts der Front, weilte bei Geburtstagsfeierlichkeiten seiner Frau im heimischen Herrlingen. Die Wehrmacht war praktisch führerlos. Und so fügt sich an diesem Tag ein Mosaiksteinchen ans nächste.
Die Amerikaner landen am Utah und am Omaha Beach, Engländer und Kanadier erobern Gold, Juno und Sword Beach. Es ist die größte Militäroperation der Geschichte. Am Abend sind hundertsiebzigtausend alliierte Soldaten mit Schiffen oder Fallschirmen in der Normandie gelandet, sie haben achtzig Küstenkilometer erobert. Bayeux ist am Morgen des 7. Juni die erste befreite Stadt Frankreichs. Nicht nur symbolisch war dies ein wichtiger Schritt, sondern auch ein Segen für die Stadt, deren historisches Zentrum so gut wie unbeschädigt aus dem Krieg hervorging, während die meisten anderen Städte der Normandie, insbesondere Saint-Lô, Caen, Le Havre und Rouen, buchstäblich in Trümmer gelegt wurden.
Bei Vierville-Saint-Laurent am Utah Beach und bei Arromanches am Gold Beach legen die Alliierten Häfen an; der erste wird noch im Juni bei einem Sturm zerstört. Über den Hafen am Utah Beach fließen Truppen, Waffen und Nachschub ins Land. Enden wird die Offensive indessen erst Monate später und nach furchtbaren Kämpfen. Am 21. August ist der Weg nach Paris offen, wo die Alliierten wenige Tage später eintreffen; am 30. August ist Rouen, die Hauptstadt der Normandie, befreit. Doch sollte es nach der Operation Overlord noch elf lange Monate dauern, bis der nationalsozialistische Terror endgültig beendet war; für unzählige Menschen kam die Rettung zu spät.
Auch fast siebzig Jahre nach dem Ende des Weltkriegs sind seine Spuren an der Nordküste der Normandie noch sichtbar. Mit dem Bau des Atlantikwalls hatten die Deutschen begonnen, als im November 1942 nach dem Vorrücken der Alliierten in Nordafrika klar wurde, dass sich die Vorstellung vom »Endsieg« als Idee eines Irren erweisen und die Alliierten schließlich auch Frankreich erreichen könnten – was kanadische Truppen im August 1942 bereits in Dieppe versucht hatten, woran sie aber gescheitert waren. Fertiggestellt war der Atlantikwall auch 1944 noch nicht, wiewohl vierhundertfünfzigtausend Arbeiter bereits elf Millionen Tonnen Beton und eine Million Tonnen Stahl verbaut hatten. Entsprechend solide gerieten die Bauten, von denen in der Normandie noch viele zu sehen sind: errichtet für die Ewigkeit, wie in anderen Zeiten Kirchen. Seinem Namen zum Trotz war der »Wall« nämlich kein zusammenhängendes Bauwerk, sondern bestand aus mehreren Tausend Befestigungsanlagen an den Küsten von Ärmelkanal, Atlantik und Nordsee.
Die Küstenbatterie von Azeville, buchstäblich in das normannische Dorf gepflanzt und eines der wichtigsten Ziele der Alliierten am D-Day, ist Besuchern zugänglich. Über Kopfhörer erfahren sie, dass es drei Tage dauerte, die durch ein Netz von Gängen unterkellerte Verteidigungsstellung einzunehmen. Bis dahin wurde Utah Beach von hier aus noch schwer bombardiert. Die unterirdischen Gänge sind ebenso erhalten wie diverse Gebäude, die vom Leben der Besatzer erzählen. Ganz in der Nähe liegt die Kirche Sainte-Mère, in deren Spitze sich der Fallschirmspringer John Steels verfing. Hollywood hat die Geschichte im Film »The Longest Day« verewigt.
Die Küstenverteidigungsbatterie bei Longues-sur-Mer ist die einzige der Landungsstrände, die als Denkmal geschützt wird. Zwischen Omaha Beach und Arromanches gelegen, bietet sie einen weiten Blick über die Landungsstrände und die Reste des künstlichen Hafens von Arromanches-les-Bains. In ihren vier Bunkern befindet sich bis heute Artilleriegeschütz; sie ist die einzige deutsche Batterie, die noch immer mit Kanonen aus dem Weltkrieg ausgestattet ist. Weiter östlich, zwischen Oistreham und Cabourg, ist mit der Batterie de Merville ein Militärstandort vollständig erhalten. Bunker Nummer elf ist so hergerichtet worden, wie er am 5. Juni 1944 aussah. Was hier in den letzten Minuten vor der Ankunft der Briten vor sich ging, wird mehrmals am Tag akustisch und visuell nachfühlbar gemacht: Infernalischer Lärm, Rauch und Feuerschein geben den Besuchern eine Ahnung von den dramatischen Geschehnissen im Morgengrauen.
In Caen, das im Juli 1944 nach schwerem Bombardement befreit wurde, befindet sich heute mit dem Mémorial de Caen ein
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