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Lesereise Schottland

Lesereise Schottland

Titel: Lesereise Schottland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Sotscheck
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wenn die Pfeifen nicht richtig aufeinander abgestimmt sind, braucht man gar nicht erst vor den Punktrichter zu treten. Es reicht dennoch nicht für die Clunies, Gregor wird Achter, sein Sohn Keith Siebter. »Vielleicht am nächsten Wochenende, bei den Spielen in Ceres.«
    Ceres rühmt sich der ältesten Highland Games. Sie sollen, wenn man der Überlieferung glauben kann, zum ersten Mal im Jahr 1314 nach der Schlacht von Bannockburn stattgefunden haben. Braemar reklamiert diesen Rekord allerdings für sich: Dort soll König Malcolm III. seine Krieger schon im elften Jahrhundert zum Wettkampf versammelt haben. Die ersten offiziellen Highland Games in Braemar wurden 1817 ausgetragen.
    Ein Vierteljahrhundert später kaufte Königin Victoria das Schloss Balmoral ganz in der Nähe von Braemar. Die Queen war ganz versessen auf alles Schottische, seit sie Walter Scotts Romane gelesen hatte. Sie steckte sogar ihren deutschen Ehemann Prinz Albert in einen kilt . Aufgrund ihrer Begeisterung kamen die Highlands in Mode, Scharen ihrer englischen Landsleute folgten der Monarchin im Urlaub gen Norden. Victoria besuchte die Spiele in Braemar 1843 zum ersten Mal, und seitdem ist kaum ein Jahr vergangen, in dem nicht mindestens ein Mitglied der Königsfamilie bei den Spielen aufgetaucht ist.
    Der Steinmetz Donald Dinnie, eines von elf Kindern, beherrschte die Wettkämpfe lange Zeit, zwischen 1856 und 1876 feierte er neunzehn Siege. Er wog zwei Zentner, hatte aber kein Gramm Fett am Leib, behauptete man. Er war so berühmt, dass er auf Welttournee ging, die ihn nach Nordamerika, Australien und Neuseeland, bis nach Südafrika führte. Überall wollte man das Muskelpaket sehen. Dinnie stellte viele Rekorde auf, die meisten hielten bis lange nach seinem Tod. Und er soll auch ein großartiger Tänzer gewesen sein.
    Tanzen ist auch nicht unbedingt das friedliche Freizeitvergnügen, das es zu sein scheint, sondern hat seinen Ursprung im Kriegerischen: Je flinker die Clanmänner auf ihren Füßen waren, desto besser konnten sie steinigen oder morastigen Boden überwinden. Außerdem hielt sie das Tanzen in der Kälte warm, und die Folgen übermäßigen Whiskygenusses verflogen schneller. Das gilt für die Teilnehmer bei den Highland Games heutzutage nicht mehr: Es sind vor allem Mädchen, manche erst vier oder fünf Jahre alt, die an den Tanzwettbewerben teilnehmen, und selbst in Schottland trinkt man in diesem Alter noch keinen Whisky. Ihre Beine bewegen sich in verblüffender Geschwindigkeit, während der Oberkörper kerzengerade aufgerichtet ist und die Hände in die Hüften gestemmt sind. Die Punktrichterinnen achten streng auf Schrittfehler, die Zuschauer sind nicht so kritisch, vor allem nicht die Eltern, die ihren Töchtern die Daumen drücken.
    Die kleine Helen ist traurig. Sie ist beim Highland Fling, einem klassischen Tanz mit recht einfachen Schritten, gestolpert und hat vor Aufregung den Faden verloren. Der Vater, ein gewichtiger Mann mit einem kilt wie ein Zweimannzelt, tröstet die Siebenjährige. Ihre um drei Jahre ältere Schwester Sheryl, das macht die Sache für Helen nicht besser, hat beim hornpipe, zu dem die Mädchen im Matrosenanzug antreten, den zweiten Platz belegt und einen kleinen Blechpokal gewonnen. Der steht, gut sichtbar, auf der Wolldecke, auf der die Mutter das Picknick vorbereitet hat: für die Kinder Hamburger vom Holzkohlengrill, der in einer Rauchwolke am Rand des Sportplatzes kaum auszumachen ist, für die Eltern frische Hummerschwänze in Weißweinsauce von Graham Campbells Imbissstand nebenan.
    Helen hätte es zu gern, wenn ihr Vater beim Volkswettlauf oder beim Radrennen für die Zuschauer mitmachen würde, doch er interessiert sich mehr für eine zweite Portion Hummerschwänze. Um die Leute zu unterhalten, hat man im Lauf der Zeit immer neue Randwettbewerbe erfunden, die mit der Tradition wenig zu tun haben, etwa der Haggis- Weitwurf. Möglicherweise ist es das Vernünftigste, das man mit diesem kulinarischen Albtraum machen kann.
    Das letzte Ereignis des Tages in Kilmore ist das Tauziehen. Es gehört zu den heavy events . Es sind in der Tat schwere Jungs, die daran teilnehmen, und der schwerste ist eine Art Anker am Ende des Taus. Er hat sich das dicke Seil um den Bauch gebunden und die Füße in den Boden gerammt. Seine sieben Mannschaftskameraden greifen das Seil und lehnen sich zurück, sodass sie fast den Boden berühren. In der Mitte zwischen beiden Teams steckt ein Stab im Gras, am Seil sind im

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