Lesley Pearse
oder von seinen Zukunftsplänen gesprochen hatte. Er musste die gleiche Leere in sich spüren, die sie selbst bis vor kurzem gefühlt hatte.
»Es ist jetzt fast zwei Jahre her, dass du verwundet wurdest und James starb«, bemerkte sie sanft. »Es wird Zeit für uns beide, wieder etwas aus unserem Leben zu machen, Peter. Du musst deine Karriere planen, und ich sollte die Zügel hier wieder in die Hand nehmen.«
Er setzte sich in den Lehnstuhl neben dem Schreibtisch, und seine hellbraunen Augen sahen kummervoll aus. »Was kann ich schon tun, da ich doch einen Stock zum Laufen brauche?«
»Ich weiß, dass du noch immer leidest und dich vielleicht im Stillen einen Krüppel schimpfst. Aber du hast diese Wunde überlebt und bist erst zweiundzwanzig. Es gibt eine Menge, was du tun könntest.«
»Was denn, Tante Matty?«, fragte er hoffnungslos. »Ich kann nicht laufen oder schwer heben. Ich bin so langsam!«
»Nun, dein Kopf funktioniert noch so gut wie zuvor«, erwiderte sie. »Du warst immer gut im Rechnen. Wie wäre es mit Buchhaltung?«
Er schenkte ihr ein zynisches Lächeln. »Damit ich dir die Bücher führen kann?«
»Genau«, gab sie zurück und grinste. »Aber auch die anderer Leute. Es ist ein guter Weg, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und jetzt, da der Krieg vorbei ist, werden viele Menschen ihre Geschäfte wieder aufbauen.«
»Das ist nicht gerade das, was ich mir erhofft habe«, seufzte er, und sie erkannte, dass er sich trotz der Schrecken des Krieges immer noch als Soldat fühlte.
Sie legte eine Hand auf seine Schulter. »Ich weiß. Aber es ist nichts Weichliches daran, Buchhalter zu sein, Peter. Bewaffnet mit deinem Wissen, kannst du Kämpfe für andere schlagen. Du kannst Geld zusammenbringen und es für Projekte verwalten, die dir wichtig sind. Ich bin sicher, James würde dasselbe sagen, wenn er bei uns wäre.«
Er schwieg für einen Moment, und sie vermutete, dass er über James sprechen wollte. Sie wartete.
»Ich habe ihn bewundert und geliebt wie keinen anderen Menschen auf der ganzen Welt«, gestand er schließlich mit zitternden Lippen. »Ich wollte genau wie er sein.«
»Aber das bist du«, erklärte sie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Nicht sein Dasein als Soldat hat ihn zu einem großen Mann gemacht, sondern seine Güte, Intelligenz, sein Mut und seine Liebe zur Menschheit. Auch du besitzt all diese Eigenschaften, Peter.«
Er blickte sie geradewegs an und bemerkte ihre Tränen. Zärtlich wischte er sie fort. »Wir sind beide verwundet, nicht wahr? Wir haben Cissy, Amelia und Susanna verloren. Ich muss mit einem steifen Bein leben und du mit einem gebrochenen Herzen. Aber wir haben es überlebt. Ich glaube, du hast Recht. Der einzige Weg, wie wir dem Ganzen einen Sinn geben können, ist, uns zusammenzureißen und ein neues Leben zu beginnen.«
»So kenne ich meinen Peter.« Sie nahm seine Hand und küsste seine Fingerspitzen. »Also, wie es der Zufall will, habe ich gerade eine Liste der Dinge angefertigt, die erledigt werden müssen. Sollen wir sie uns jetzt einmal gemeinsam ansehen?«
Peter lachte.
»Was ist so lustig?«, fragte sie entrüstet.
»Du, Tante Matty! Schon als ich noch ein kleiner Junge war, hattest du immer etwas auf Lager. Mama hat früher einmal über dich gesagt, dass du den anderen stets um zwei Längen voraus bist.«
Am ersten September öffnete London Lil’s mit einer großen Party wieder seine Tore. Die Außenwände waren gestrichen, Gaslichter installiert, und das Innere war vollkommen aufpoliert worden. Das alte Wandgemälde mit Szenen aus London war überstrichen worden, und ein neues nahm nun seinen Platz ein. Auch die Theke und der Boden hatten einen Anstrich bekommen, die gebrochenen Spiegel, alten Tische und Stühle waren durch andere ersetzt worden.
Matilda dachte an die Zeiten zurück, in denen sie kaum Tänzer und Unterhaltungskünstler für den Eröffnungsabend hatte finden können. Doch heute, sobald sich die bevorstehende Wiedereröffnung von London Lil’s herumgesprochen hatte, fanden Scharen von Künstleragenten den Weg zu ihrer Tür und boten alles von Schlangendresseuren bis zu Opernsängern an.
Auch diesmal sollten zur Premiere nur geladene Gäste eingelassen werden. Matilda hörte sich amüsiert die Gerüchte an, dass viele der führenden Persönlichkeiten der Stadt, die früher nicht im Traum daran gedacht hätten, ins London Lil’s zu kommen, jedem Bestechungsgelder anboten, von dem sie glaubten, er könnte
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